High Five
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High Five #19: Von agilen Ampelspielen und fiktionalen Retreatkapseln

Es mag eine Momentaufnahme oder auch Illusion sein: aber wir sind begeistert, wie wertschätzend die Gespräche zur Ampel-Koalition derzeit gestaltet werden. Es macht uns hoffnungsvoll, zu sehen, welches Momentum entstehen kann, wenn co-kreativ zusammengearbeitet wird. Möge sich daraus Kraft entwickeln, um die anstehenden gesellschaftlichen Transformationen lustvoll anzugehen. Wir mögen einen Aufbruch zu einer digitalen, dekarbonisierten und sozial gerechteren Welt erahnen.

Regelmäßig das Neue zu antizipieren, zurückzuschauen und einander lebendig zu begegnen, wäre unsere Empfehlung nicht nur für diese ungewöhnliche Koalition politischer Transformationsbegleiter*innen. Passend dazu weisen wir noch einmal auf unsere Artikelserie zu Aktionsmethoden für FacilitationRetrospektiven und Futures Thinking hin, die das Sommerloch hier und da verschluckt haben mag.  

Wir sind gespannt auf das, was sein, kommen und werden wird. 


1. Los geht’s: Workshopräume als Zeitkapseln

Der physische Raum ist eine oft unterschätzte Dimension in Workshops. Egal ob on-site oder online: es macht einen Unterschied, ob der Raum (zu) groß, (zu) klein, hell, dunkel, mit oder ohne Fenster, mit oder ohne Möbel, … daherkommt. Den gemeinsamen Raum bewusst wahrzunehmen, kann eine sehr anregende Warm-Up-Übung sein. Sie schärft die Sinne, stärkt die räumliche und periphere Wahrnehmung, fördert die Konzentration auf den Moment und regt die Kreativität an. Tandems können den Raum z.B. mit folgender Aufgabe erkunden: „Stellt euch vor, der Raum ist eine Galerie, wo alles gewollt angeordnet und inszeniert wurde. Geht gemeinsam durch den Raum und besucht die Galerie.“ Wenn es um Zukunft, Zusammenarbeit, Digitalisierung oder Ähnliches geht, framen wir die Übung auch mal inhaltlich: „Stellt euch vor, ihr seid Forscher aus dem Jahr 20XX. Dieser Raum ist eine Zeitkapsel aus dem Jahr 2021 und ist xx Jahre nicht betreten und verändert worden. Erkundet den Raum und findet heraus, welche Artefakte aus der Vergangenheit es zu entdecken gibt.“ Das Ganze funktioniert auch virtuell super. Die Tandempartner erkunden dann ihre jeweiligen Orte gemeinsam. 


2. Hirnschmalz: Die Zukunft ist offen, oder?

Ein absolutes Buchhighlight der letzten Jahre war „Imaginierte Zukunft“ von Jens Beckert. Darin beschreibt er Zukünfte als fiktionale Erwartungen, die über Narrative konstruiert werden, und versucht die Dynamiken des modernen Kapitalismus zu erklären. Unser Netzwerkkollege Maximilian Locher geht in einem spannenden Artikel der Frage nach, wieso angesichts der hohen Dynamik in vielen Organisationen so wenig passiert, wieso Systeme so stabil sind. Darin vertritt er die These, dass in Organisationen Zukünfte sehr selektiv geöffnet und wieder geschlossen werden. Damit schafft er ein Verständnis für den dynamischen Kapitalismus, „das zugleich seine Dynamik als auch seine Trägheit und Ruhen erklärbar macht.“ Der Artikel ist in dem Buch „Fiktion und Narration in der Ökonomie“ erschienen. 


3. Retreats: gemeinsam auftanken

Praktiken aus der Achtsamkeitsszene inspieren zunehmend auch Organisationen und uns. Dazu zählen auch Retreats, also eine geplante Zeit der inneren Einkehr abseits des Alltags. Organisationen richten vor allem Management- oder Team-Retreats aus. Im Gegensatz zu Strategie-Workshops oder Klausurtagungen, die Entscheidungen, Ergebnisse und Aufgabenpakete hervorbringen müssen und die Teilnehmer oftmals sehr ermüden, sind Retreats entscheidungsarme, ergebnisoffene und erlebnisreiche Treffen der Inspiration, der Muße, Reflexion, Selbsterfahrung und der Regeneration. Matthias zur Bonsen hat dazu einen tollen Artikel geschrieben. Wir jedenfalls schätzen die Kraft von Retreats in unserer Arbeit mit Klienten sehr.


4. Retros: Agiles Spielen und Erzählen

Spiele und agile Methoden gehören eng zusammen. Wer agile Methoden und Frameworks über Spiele erlebbar machen möchte, sollte mal einen Blick in das neue Buch unserer Netzwerkkollegin Julia Dellnitz werfen. „Daily Play“ liegt oben auf unserem Bücherstapel. Beim Ausräumen unseres Büros fielen uns auch die Improv Cards von Management 3.0 wieder in die Hände. Ähnlich wie bei „Story Cubes“ geht es darum kreative Trigger zu nutzen, um gemeinsam Geschichten zu erzählen. Für eine Mad/Sad/Glad-Retrospektive bekommen die Team-Mitglieder eine Handvoll Karten. Gemeinsam müssen sie nun eine (wahre) Geschichte aus dem letzten Sprint erzählen und dabei die visuellen Prompts einbauen. Dieses Kartenset gibt es auch als Online-Spiel für Teams, die remote arbeiten und Retrospektiven durchführen. Auch wir wollen mehr Spiel, Spaß und Erlebnis ins agile Arbeiten bringen und bieten daher im Dezember das Training „(Remote) Retrospektiven in Aktion“ in Kooperation mit Jensen und Komplizen an. 


5. Journaling: Schweigen und schreiben

In vielen Workshops spielt der gemeinsame Austausch die Hauptrolle. Oft unterbelichtet bleibt, dass Teilnehmer*innen ja auch ganz allein für sich durch Workshops bewegt werden. Unabhängig davon, ob sie durch Aktionsmethoden Themen gezielt auch körperlich-emotional erfahren oder rational Post-its geschrieben werden. Ein Journaling ist ein wunderbarer Weg den gemachten Erfahrungen und Erlebnissen nachzuspüren und sie festzuhalten – und wird von Teilnehmer*innen meist als echtes Zeitgeschenk angenommen. Journaling heißt dabei schlicht und einfach, dass alle in Stille innehalten, sich private Notizen machen und die eigenen Gedanken und Gefühle beim Schreiben strukturieren. Vor allem Dinge, die abseits des Workshops schnell wieder verschüttet werden, sind es wert notiert zu werden: 

  • Was hat Dich in der Session gerade überrascht oder irritiert? Was war neu?
  • Was waren zentrale Erlebnisse und Erfahrungen? Was hast Du gefühlt? Was hast Du gesehen? Was hast Du getan?
  • Welche neuen Handlungsimpulse nimmst Du mit? Was willst Du anders machen oder neu ausprobieren?

6. Zu guter letzt: Das Innen und das Außen wertschätzen

Einen Workshop gut abzuschließen und zu beenden, ist ebenso wichtig, wie eine gute Eröffnung und Warm-Ups. Nach dem Vorhang (s. High Five #15) haben wir über einen Social Presencing Theater Kurs des Presencing Instituts ein sehr schönes Closing kennengelernt. Zum Abschluss der Session stellen sich alle mit gehobenen, offen zueinander zeigenden Handflächen hin – in Präsenz im Kreis oder virtuell in der Galerie-Ansicht. Ganz in Ruhe spüren alle nach, was wir im Workshop gesehen, gefühlt oder getan haben. So haben wir einander schweigend Wertschätzung entgegengebracht. Anschließend drehen wir uns um und ebenfalls mit erhobenen Händen spüren wir all dem Äußeren nach und schätzen Wert: Alle, die nicht dabei sein konnten. Jene, über die in Abwesenheit gesprochen wurde. Die, die unsere Teilnahme ermöglicht haben und die, an die wir gerade denken.


P.S.: In Sachen Bebilderung
Die Bilder zu den Punkten 1., 5. und 6. haben wir aus der Online-Sammlung des Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg abfotografiert. Nicht, weil das ein Kunde ist, der uns am Herzen liegt, sondern weil die Sammlung echt toll, frei verfügbar und am wachsen ist.


Du suchst einen Sparringspartner für einen komplexen Workshop, kommst in deinem Transformationsprozess nicht weiter oder brauchst jemanden, der Dein Event mit einer Prise Aktionsmethoden bereichert?

Schreibe uns gern eine Mail, wenn du bei einem Vorhaben eine zweite Meinung, einen kritischen Blick oder einen zusätzlichen Partner benötigst. Und wie immer freuen wir uns auch über Feedback zu diesem Newsletter. 

Danke fürs Lesen und Deine Zeit.

Beste Grüße und einen schönen Tag,
Dirk, Jörg und Valentin

 

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