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(Remote) Facilitation in Action: 7 einfache Werkzeuge

Aktionsmethoden machen Workshops und Diskussionen abwechslungs- und erlebnisreicher. Sie erhöhen das Aufmerksamkeitslevel, schaffen inspirierende Perspektivwechsel und bringen Bewegungen und Handeln in den Raum. Gerade in Remote Workshops via Zoom und Co sorgt das für dringend nötige Abwechslung. Aktionsmethoden können eine gute Ergänzung oder Alternative zu Workshops sein, die stark auf Post-Its oder virtuelle Whiteboards setzen. In diesem Artikel möchte ich sieben einfache Werkzeuge aus unserem Aktionsmethoden-Werkzeugkoffer vorstellen. Dies ist der erste von drei Teilen zu “(Remote) Facilitation in Action.” Hier geht es Teil 2.

Aktionsmethoden? Was sind das eigentlich?

Aktionsmethoden bezeichnen eine Vielzahl von Facilitation-Ansätzen, bei denen die Teilnehmer*innen ein System, ein Thema oder eine Idee spielerisch und erlebnisorientiert erkunden. Darunter fallen Methoden wie Soziodrama, Psychodrama, Soziometrie, Forumtheater, Regenbogen der Wünsche, Playback Theater, systemische Aufstellungen, Social Presencing Theater oder Applied Improv. Aber auch Lego Serious Play gehört in den erweiterten Dunstkreis von Aktionsmethoden. In der Regel folgen sie einer Logik von (1) Warm-Up, (2) Aktionsphase, (3) Reflexion und (4) Transfer. Die hier vorgestellten Tools entstammen dem Soziodrama/ Psychodrama, dem Playback Theater und dem Clowning. Sie sind so einfach, dass du sie im Workshop auch ohne Warm-Ups und überwiegend auch ohne Reflexion durchführen kannst. 

Wenn du Aktionsmethoden kennenlernen und ausprobieren willst, schau doch mal bei Dandelion Spaces vorbei. In unserem Newsletter informieren wir regelmäßig über offene Angebote.

(Remote) Facilitation in Action #1: Der leere Stuhl

Der leere Stuhl ist wohl das einfachste und klassischste Werkzeug aus dem Soziodrama-/ Psychodrama-Kontext. Du stellst einen leeren Stuhl nach vorne oder in die Mitte und benennst, wofür dieser Stuhl steht. Die Teilnehmenden können dann hinter den Stuhl treten und aus dieser Perspektive/Rolle sprechen oder die Rolle (aka den Stuhl) direkt ansprechen. Der leere Stuhl bietet sich an, wenn die Teilnehmer*innen über etwas oder jemanden sprechen und dabei nicht weiterkommen.

Ich erinnere mich gut daran, wie sich der Möglichkeitsraum in einem Transformationsteam veränderte, als eine zentrale Stakeholderin über den Stuhl plötzlich im Raum war und die Teilnehmer*innen direkt mit ihr sprachen und sie direkt zu ihnen. Oder wie wir ein zentrales Teammitglied, dass das Unternehmen ein paar Wochen zuvor verlassen hatte, noch einmal konsultiert haben.

Virtuell lösen wir das, indem wir unser Kamerabild durch das Bild eines Stuhls ersetzen (z.B. mit Hilfe eines Tools wie mmhmm) und nur noch neben dem Stuhl erscheinen. Wenn es das erfordert, kannst du dich und den/die jeweiligen Redner*in per “Multi-Spotlighting” in den Mittelpunkt stellen. In Zoom kannst Du als Host bis zu neun Videos von Teilnehmenden hervorheben. Oder du bittest alle, ihre Kameras auszuschalten und nur wer hinter den Stuhl treten möchte, schaltet dafür die Kamera wieder ein.

(Remote) Facilitation in Action #2: Der Empathy Circle

Der Empathy Circle ist quasi die Umkehr des leeren Stuhls. Wir kennen den Empathy Circle aus einer Session mit Chantal Nève-Hanquet und Agathe Crespel und ihrem Buch “Facilitating Collective Intelligence”. Ziel des Empathy Circle ist es, dass alle Teilnehmenden sich in eine Rolle eindenken.

Wieder steht ein leerer Stuhl vorne oder in der Mitte. Der Stuhl steht für eine Rolle und kann eine Person oder ein Thema repräsentieren. Dieses Mal stellen die Teilnehmenden per Zuruf Fragen aus der Ich-Perspektive der Rolle. Das können eher allgemeine Fragen sein, wie z.B. „Wer bin ich?“ oder „Was macht mich aus?“ Ergänzend dazu werden sehr konkrete und fallspezifische Fragen aus der Ich-Perspektive gestellt. Die Fragen bleiben zunächst unbeantwortet. Es geht zunächst darum, dass alle sich in diese Rolle einfühlen. 

Wie beim leeren Stuhl können anschließend einzelne Teilnehmende hinter den Stuhl treten und zu der Gruppe sprechen.

Wir haben den Empathy Circle zuletzt häufig thematisch genutzt. Für einen partizipativen Gesetzgebungsprozess haben wir einen Empathy Circle für das neu entstehende Gesetz durchgeführt. Aber auch Entitäten wie „unsere Organisation“ oder „unser Team“ oder „unser Produkt“ oder „unser letzter Sprint“ wären geeignete Kandidaten.

Der Empathy Circle eignet sich gut, um ein Thema zu eröffnen oder nach intensiver Bearbeitung abzuschließen.

(Remote) Facilitation in Action #3: Die Talkshow

Wenn Du verschiedene Perspektiven in den Dialog bringen oder zu einem Thema anders diskutieren willst, ist die Talkshow vielleicht eine gute Wahl. Wie im TV stellst du 4-5 Stühle für Gäste nach vorne und einen für dich als Moderator.

Zunächst überlegt ihr, welche Rollen es für euer Thema braucht. Anschließend fragst du, wer von den Teilnehmer*innen sich in einer Rolle nach vorne setzen mag. Am besten startest du schon mal sobald du 2-3 „Gäste“ hast, besetzt weitere Rollen sukzessive nach und hältst immer einen Stuhl im Fishbowl-Prinzip frei für neue Gäste. Als Moderator befragst du die Gäste in Talkshow-Manier und bringst sie miteinander ins Gespräch. Neue Gäste und Fragen aus dem Publikum machen die Talkshow interessanter. So wie der Bruder der Nachbarin als heimlicher Liebhaber, der in den 90er-Trash-Talkshows ganz zufällig (ironisch) aus dem Off auf die Bühne gestürmt kam.

Noch zugänglicher wird das Format, wenn Du das Setting fiktiv auf die Gruppe zuschneidest – indem du es etwa als Podiumsdiskussion auf einer Konferenz deklarierst oder was sonst passend für deinen Kontext ist. Wir haben das Talkshow-Format  kürzlich zum Beispiel als fiktive Kundenkonferenz aufgesetzt. Verschiedene Arten von Auftraggebern eines mittelständischen Unternehmens saßen auf dem Podium und sprachen über ihre Erwartungen, Anforderungen und Möglichkeiten.

Nach dem Talkshow-Format empfiehlt sich eine offene Diskussion und Auswertung. Wenn es sehr intensive Diskussionen waren, kann auch ein Rollenfeedback vor der Diskussion wichtig sein. 

In Zoom kannst du auch hier mit einem Kamerabild von leeren Stühlen starten und die Teilnehmenden per “Multi-Spotlighting” (In Zoom kannst Du als Host bis zu neun Videos von Teilnehmenden hervorheben) auf die Bühne stellen oder die übrigen bitten ihre Kameras auszuschalten.

Statt der üblichen (langweiligen) Podiumsdiskussionen würde ich gern mal das Talkshow-Format im Rahmen einer echten Konferenz durchführen oder erleben. Statt der Gäste säßen dort Menschen in Rollen auf dem Podium. Neben Repräsentanten für inhaltliche Themen oder wichtige Akteure könnten so auch fiktive oder historische Figuren Teil einer Podiumsdiskussion werden. Denn Aktionsmethoden können nicht nur (Remote) Facilitation, sondern auch die Bühnenmoderation bereichern.

(Remote) Facilitation in Action #4: Der Pitch

Klassische Workshop-Situation: Kleingruppen arbeiten enthusiastisch zu verschiedenen Themen. Dann stehen die Rückpräsentationen an und das Interaktions- und Energieniveau geht dramatisch in den Keller und wird vermutlich noch durch rigides Timeboxing gestresst.

Anstelle der üblichen Rückpräsentation lassen wir gern mal die Präsentator*innen in die Rolle des Kleingruppenthemas schlüpfen und aus der Ich-Perspektive als das Thema sprechen. Wenn die Gruppe an einer Produktidee gearbeitet hat, wird sie nun das Produkt und spricht zu den anderen als das Produkt. Wenn die Gruppe zu einer neuen Kooperation gearbeitet hat, spricht eben diese Kooperation. 

Idealerweise beginnt erst einmal eine Person der Gruppe. Falls andere etwas zu ergänzen haben, sprechen sie ebenfalls aus der Rolle heraus (Kollektivrolle) oder sie lösen die erste Person ab und übernehmen die Präsentationsrolle (Tagging). Als Facilitator kann ich zusätzlich noch Fragen stellen und auch die anschließende Diskussion mit der Gesamtgruppe findet mit der Rolle statt. 

Von dort wäre es auch nur ein kurzer Schritt zu weiteren Rollen (Kunden, interne Rollen,..) um schnell in eine kurze Exploration zu gehen. Es reicht aber auch vollkommen aus, nur die eine Rolle mit dem Gruppenthema zu haben. Durch den Perspektivwechsel ist sofort wieder Aufmerksamkeit und meistens auch etwas Heiterkeit im Raum. Die Ergebnisse werden plötzlich viel anfassbarer und konkreter.

Auf ein Rollenfeedback und weiteres Sharing verzichten wir an dieser Stelle meistens. Aber du kannst abschließend nach einem Adjektiv fragen, das zusammenfasst wie sich die Rolle fühlt (1-Wort-Sharing).

Ergänzend zum Multi-Spotlighting / Kamera an/aus kannst du die Redenden in ihrer Rolle umbenennen oder sie auffordern, das selbst zu tun.

(Remote) Facilitation in Action: Das Post-Workshop-Gespräch

(Remote) Facilitation in Action #5: Der Flurfunk

Die Fragen von Kolleg*innen zum gestrigen Workshop („Und, wie war’s? Was ist rausgekommen?“) kennt wohl jede*r. Eine Runde zum Flurfunk-Mitdenken im Sinne von „Was erzählen wir morgen den Kollegen? Und was auch nicht?“ ist seit langem etwas, das wir gegen Ende eines Workshops mit sensiblen Ergebnissen thematisieren.

Auch diese Runde lässt sich einfach in Aktion bringen und im Sinne von (Remote) Facilitation in Action übersetzen. Zwei Stühle nach vorne, einen für ein*n Kolleg*in, einen für eine*n Teilnehmer*in des Workshops. Die berüchtigten Fragen werden gestellt und beantwortet.

Ergänzend kannst du dann noch mit Doppeln arbeiten – das heißt, du bittest andere Teilnehmer*innen, sich hinter die Personen zu stellen und auszusprechen, was die beiden Rollen fühlen oder denken. So ein Doppel wird auch in Ich-Sätzen formuliert.

In Zoom helfen wie so oft das Multi-Spotlighting oder Kamera an/aus.

(Remote) Facilitation in Action #6: Once Upon a Time

“Once upon a time” wird im Playback Theater häufig benutzt, um eine Show zu beenden. Es bietet sich aber auch wunderbar zum Abschluss eines Workshops oder einer Session an. Ein “Once upon a time” würdigt all das, was in einer Session passiert ist, und alle, die anwesend waren und mitgewirkt haben. Dafür stellt ihr euch in einem weiten Kreis auf. Virtuell stellen sich alle hin und treten zwei Schritte nach hinten.

Alle sind nun eingeladen, verschiedene Aspekte des Workshops zu würdigen. Dabei geht es nicht um eigene Erlebnisse, sondern um das, was geschehen oder passiert ist. Dafür treten Teilnehmer*innen abwechselnd nach vorne, machen eine Bewegung oder Geste und erinnern an das Ereignis. Dafür sprechen sie “Es war einmal …”. In ihrem Satz wird nur die dritte Person (er, sie, es) genutzt und nicht die erste (ich, wir) oder zweite Person (du, ihr). „Es waren einmal Post-Its, die einfach nicht kleben wollten.“ „Es war einmal eine neue Strategie, die gemeinsam entwickelt wurde.“ Anschließend treten sie wieder zurück in den Kreis bzw. den Hintergrund. Das geht solange, bis alles ausreichend wertgeschätzt wurde. Das bedeutet häufig auch, das Leute mehrfach vortreten. “Once upon a time” haben wir auch schon einmal in unserem Newsletter High Five (Ausgabe 16) beschrieben.

(Remote) Facilitation in Action #7: Der Vorhang

Nach einem “Once upon a time” könnt ihr als Gruppe noch den Vorhang fallen lassen bzw. schließen. Das haben wir bei Holly Stoppit und Robyn Hambrook von der Online Clown Academy kennengelernt. Es ist idealerweise der allerletzte Akt in einem Workshop. Es gibt zwei Varianten. Den Vorhang haben wir ebenfalls schon einmal in unserem Newsletter High Five (Ausgabe 15) beschrieben.

Variante 1: Der Vorhang fällt

Alle heben ihre Hände gestreckt in die Luft (virtuell sind die Handflächen außerhalb des Bildschirms). Gemeinsam im gleichen Tempo senken wir nun die Hände wie einen Vorhang, der sich schließt. Es folgen eine Verbeugung voreinander, Applaus für einander und beidhändiges Klopfen auf die eigenen Schultern. 

Variante 2: Der Vorhang schließt sich

Alle strecken ihre Hände zur Seite. Gemeinsam zieht ihr den Vorhang zu, führt die Hände weiter, um sich selbst zu umarmen. Zum Abschluss verbeugt ihr euch voreinander. 

Fazit

Bei (Remote) Facilitation in Action geht es darum, Gespräche und Diskussionen möglichst schnell und einfach von der Ebene des “Darüber redens” auf eine Erlebnisebene zu bringen. Meist hilft es schon, einen leeren Stuhl heranzuziehen und darüber eine Rolle einzuführen.

In unseren offenen Angeboten kannst du Aktionsmethoden auch direkt kennenlernen. Mehr dazu hier.

Wie man Retrospektiven in Action durchführt, findet sich in Teil 2 der Reihe (Remote) Facilitation in Action.

Jörg Jelden

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