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Community Building: Mit dem Offers and Needs Market zu lebendigeren Communitys, Netzwerken und Organisationen

Ein Gastbeitrag von Sabine Koppe

Netzwerke, Communitys und Organisationen leben von der Leidenschaft, dem Wissen, den Kenntnissen, Fähigkeiten und Ressourcen ihrer Mitglieder*innen. Wir erhöhen deren Lebendigkeit, wenn wir Menschen dazu stärker in den Austausch bringen. In diesem Artikel möchte ich ein einfaches und effektives Format dafür vorstellen: den Offers and Needs Market, den Marktplatz des Gebens und Erhaltens. Ein etwa 90-120-minütiger geführter Prozess, in dem sich Netzwerk-, Community- oder Organisationsmitglieder*innen virtuell oder in Präsenz treffen, um ihre Leidenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Ressourcen und Bedürfnisse zu entdecken und auszutauschen. Ein toller Nebeneffekt: es werden Verbindungen und Vertrauen aufgebaut und gestärkt. Der Offers and Needs Market ist ein Stärken-basierter Ansatz, der dazu beiträgt, den „Marktplatz“ als einen Ort zurückzuerobern, an dem wir genug sind, genug haben und es genug für uns alle gibt.

Meine Motivation

Seit etwa einem Jahr beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema, wie wir als Menschen und als Gemeinschaften resilienter, unabhängiger und selbstermächtigter werden können inmitten der massiven ökologischen, sozialen und kulturellen Veränderungen und Krisen. Dabei möchte ich nicht nur in meiner Rolle als Zukunftsforscherin verharren, und beobachten und analysieren, sondern als Coach und Facilitator dabei unterstützen unsere Kompetenzen zur Selbstwirksamkeit zu aktivieren. 

Die Pandemie hat uns (oft schmerzlich) bewusst gemacht, wie verletzlich oder resilient, und wie abhängig wir in unserem globalen, markt- und wachstumsorientierten Wirtschaftssystem sind. In meinem Haus mit etwa 70 Mieter*innen, in meiner Straße/ Nachbarschaft und via nebenan.de, habe ich in kleineren und größeren Experimenten verprobt, wie Gemeinschaft, Resilienz und Selbstwirksamkeit gestärkt werden können. Besonders geholfen haben mir dabei die co-kreative Lernreise mit dem Surviving the Future Kurs am Sterling College, basierend auf dem Buch Lean Logic von David Fleming und das „Offers and Needs Market“ Facilitator Training des Post Growth Institutes.

Offers and Needs Market

Die Methode

Meine erste Berührung mit dem „Offers and Needs Market“ hatte ich beim Post Growth Institute (PGI) in einem solchen Markt innerhalb des PGI-Teams. Das Post Growth Institute ist eine internationale, gemeinnützige Organisation, die sich für das kollektive Wohlbefinden innerhalb ökologischer Grenzen und für eine faire, regenerative Wirtschaft einsetzt. Das PGI hat den „Offers and Needs Market“ als Methode entwickelt, um die Ökonomie der Fülle als Gegenmodell zur Ökonomie der Knappheit zu stärken. Ich unterstütze das PGI ehrenamtlich im Research und Free Money Day Circle. Wir arbeiten als internationales, distribuiertes, soziokratisch organisiertes Team zusammen. Am Beispiel dieses PGI-internen „Offers and Needs Market“ möchte ich das Format vorstellen. Die Einladung zur Session las sich so:

Der Offers and Needs Market ist eine unterhaltsame und effektive Methode, um Kontakte zu knüpfen, deine Angebote und Bedürfnisse zu kommunizieren und ein Gespräch mit interessanten Menschen zu führen, die zufällig Teil dieses großartigen Teams sind.

Wir haben alle erstaunliche Talente und Dinge zu bieten – unser Team besteht aus so vielen großartigen Leuten mit einem breiten Spektrum an Fähigkeiten, Ressourcen und Interessen. Wenn wir teilen, was wir zu bieten haben, wird das Leben für uns alle einfacher und reicher. Es ergeben sich wunderbare neue Möglichkeiten, wenn wir uns auf diesen Prozess einlassen!

Etwa 20 Teilnehmer*innen unseres distribuierten, globalen Teams nahmen am virtuellen, 120-minütigen „Offers and Needs Market“ des PGI-Teams teil. Zwei mit der Methode vertraute Facilitator*innen des PGI, Vanessa Michael und Dani Leonardo, führten uns durch den Prozess. Jede*r Teilnehmer*in wurde gebeten einige A4 Blätter und einen Stift bereit zu halten.

Die Agenda 

  1. Intro 
  2. Offers Market/ Markt des Gebens
  3. Connecting
  4. Pause
  5. Needs Market/ Markt des Erhaltens
  6. Connecting
  7. Offers and Needs Market/ Markt des Gebens und des Erhaltens
  8. Umfrage & Reflektion
  9. Outro

Intro

Das Willkommen startete mit einem Grounding Breath (geführte Atem-Achtsamkeitsübung), einem kurzen Check-in und einer Reflektion mit der Frage: Teile etwas, das du leidenschaftlich gern tust.

Offers Market / Markt des Gebens

Im Offers Market oder Markt des Gebens wurde ein Angebote-Template als Google Doc via Screenshare geteilt. Alle Teilnehmer*innen wurden gebeten auf einem A4 Papier die folgenden Spalten zu kreieren: Name, Angebot, Verfügbarkeit, Ort, Kosten.

Community Building: Offers and Needs Market

Zunächst wurden wir inspiriert über „Angebote/Gaben“ nachzudenken, die sich aus den folgenden Bereichen schöpfen können: 

  • Leidenschaften: physisch/ dialogisch. z.B. Meditation, Gespräch über Transition Movement 
  • Ressourcen: physisch/ nicht-physisch, z.B. Wohnung vermieten, eine Liste mit guten TED Talks
  • Wissen & Perspektiven: Einsichten/ Instruktionen z.B. Empfehlung eines guten Therapeuten, Einführung in das Soziodrama, Permakultur) 
  • Fähigkeiten & Services: formell/ informell z.B. Spanischunterricht, Kimchi herstellen
  • Möglichkeiten/ Chancen: zeitspezifisch/ erweitert, z.B. ein Job- oder Projektangebot
Community Building: Offers and Needs Market

Jede*r Teilnehmer*in sollte still reflektieren und seine „Gaben/ Angebote“ auf einem Blatt notieren. Anschließend sollten wir uns drei Gaben/ Angebote aus unserer Liste aussuchen, die wir in diesem Moment wirklich gern anbieten wollen. Je vier Teilnehmer*innen wurden für 15 Minuten in Breakout Rooms geschickt. Zuerst sollte sich jede*r Teilnehmer*in eine Zahl zwischen 1 und 4 aussuchen und vor seinen Namen notieren. Diese Zahl bestimmte die Reihenfolge, in der die Gaben vorgelesen werden. Jede*r Teilnehmer*in las reihum je eine Gabe samt Name, Verfügbarkeit, Ort und Kosten vor. Die anderen Teilnehmer*innen notierten sich die Gaben. Nachdem alle Gaben geteilt waren, konnten klärende Fragen gestellt werden.

Connecting/ sich verbinden

Im Connecting sollte jede*r Teilnehmer*in zunächst reflektieren, welche Gaben möglicherweise ein Bedürfnis treffen. Einige Teilnehmer*innen spiegelten ihre Erlebnisse mit der Gruppe. Danach wurde ein Link zur Excel-Tabelle geteilt, in der jede*r Teilnehmer*in kurz seine Gaben/ Angebote und seine Kontaktdetails eintrug, um sie mit der gesamten Gruppe zu teilen. Ich habe unter anderem angeboten, mein Miroboard mit Konzepten, Methoden und Tools rund um Transformation, und ein Rezept für einen Rhabarberkuchen zu teilen. In meiner Gruppe wurden z.B. Dinge wie Pflanzensamen, Rechtshilfe, vegane Ernährungsplanung, Organisations- und Community-Mapping mit Kumu angeboten.

Needs Market/ Markt des Erhaltens

Nach einer kurzen Pause und gemeinsamem Stretching wurde via Screenshare das Bedürfnis-Google Doc geteilt mit den Spalten Name, Bedürfnis, Dringlichkeit, Ort, Bezahlung.

In Stille sollten wir über unsere Bedürfnisse nachdenken und diese notieren. Die beiden Moderatorinnen machten es vor und teilten je ein echtes, aktuelles Bedürfnis mit der Gruppe. Die Breakouts zum Markt des Erhaltens fanden mit denselben Teilnehmer*innen, in derselben Reihenfolge und Abfolge, wie zuvor der Markt der Gaben statt. Ich habe u.a. geteilt, das ich Patreons für die regenerative Aktivistin Desiree Driesnaar suche, die in schwierigen Verhältnissen lebt, und für mich selbst eine Einführung in die Permakultur. Meine Gruppe suchte z.B. Einkommensmöglichkeiten, ein englisches Sprachtandem oder einen Walk-and-Talk Partner für virtuelle Spaziergänge und Stadtführungen in anderen Städten. Gefühlt, war der Markt des Erhaltens der schwierigere Teil, da wir uns verletzlich fühlten, um Unterstützung zu bitten. Hier habe ich eine tiefe emotionale Verbindung zu den anderen drei Teammitgliedern entwickelt.

Connecting/ sich verbinden

Auch nach dem Markt des Erhaltens wurden wir gebeten zu reflektieren, ob und welche Bedürfnisse wir in unserer Gruppe erfüllen konnten. Einige Teilnehmer*innen teilten ihre Erfahrungen und wir trugen unsere Bedürfnisse in die Exceltabelle “Bedürfnis” ein, so dass jede*r Teilnehmer*in darauf Zugriff hat.

Der Austausch

Zuletzt fand der finale Markt des Gebens & Erhaltens statt. Jede*r Teilnehmer*in wurde gebeten, zwei Gaben und zwei Bedürfnisse zu priorisieren, die er mit der Gruppe teilen möchte. In Breakouts mit derselben Kleingruppe, teilte jede*r reihum immer eine Gabe, die sie/ er annehmen möchte und danach ein Bedürfnis, das sie/ er erfüllen möchte. Noch einmal konnten letzte Nachfragen gestellt werden. Danach wurde jede*r gebeten 1 Minute zu reflektieren, was sie/er als Ergebnis des „Offers and Needs Market“ tun möchte.

Abschlussbefragung/ Reflektion und Ende

Jede*r Teilnehmer*in wurde gebeten eine kurze Abschlussbefragung zu unserem „Offers and Needs Market“ Erlebnis online auszufüllen. Danach konnten Teilnehmer*innen ihr Erlebnis für eine Minute mit der Gruppe teilen.

Offers and Needs Market
Bild von Molly Costello

So what,  „Offers and Needs Market„?

Seit diesem Event des PGI-Teams sind wir als Team gewachsen und enger zusammengerückt. Das Vertrauen innerhalb unseres distribuierten Teams ist gestiegen, die Kommunikation untereinander ist gestärkt und die virtuelle Zusammenarbeit funktioniert mit weniger Hickups. Es sind neue Netzwerke, Projekte und Initiativen entstanden. Meine kleine internationale 4er-Gruppe hat sich seitdem in wunderbaren ko-kreativen Räumen gemeinsam und einzeln getroffen. Wir alle haben das “Offers and Needs Market Facilitator Training” abgeschlossen und unsere ersten eigenen Experimente mit der Methode gestartet. Außerdem gibt es neue Experimente mit Micro-Offers and Needs Markets.

Tannur Ali, eine Alumni des Facilitator-Trainings zu “Offers and Needs Market” und Aktivistin aus den USA hat mich sehr inspiriert. Sie sagte: 

„Ich nutze „Offers and Needs Markets“ jeden Tag und in meinem Alltag. Ich kommuniziere meine Bedürfnisse und ich teile meine Gaben mit meiner Community. Das Leben ist seitdem so viel leichter und reicher geworden.“ 

Seit ich diesem Prinzip folge habe auch ich, insbesondere aktuell in einer schwierigen Phase meines Lebens, so viel Fülle, Resilienz und Stärkung erlebt. Ich spüre, dass ich nicht allein bin. Ich spüre, dass ich so viel zu geben habe, und das jede*r von uns so viel zu geben hat. Und ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass wir gerade dadurch, dass wir uns verletzlich zeigen, wenn wir unsere Bedürfnisse teilen, unsere Beziehung und Verbindung zu anderen Menschen stärken.

Now what, „Offers and Needs Market„?

Wir haben so viele tolle Communitys – zivilgesellschaftlich genauso wie professionell. Zugleich liegt hier so viel Potenzial brach. Community Development wird zu selten mit einer guten Mischung aus Framing und Freiheiten betrieben. Ich träume davon, dass Communitys noch lebendiger, kraftvoller und selbstwirksamer werden. Der „Offers and Needs Market“ ist für mich ein wunderbares Tool, um eine Kultur des Miteinanders, der Wertschätzung und Teilhabe zu ermöglichen. Gemeinsam mit Björn Michael und Vanessa Michael werde ich im Herbst einen „Offers and Needs Market“ für die Berlin Facilitators’ Meetup Community im Oktober und bei den Berlin Change Days im November anbieten. 

Hier kannst Du dich über die “Offers and Needs Market Facilitator Trainings” informieren.

Sabine Koppe
Kategorie: Standpunkte

von

Ich bin Sabine Koppe, 42 Jahre alt, Berlinerin und Mutter von zwei Kindern. Mit Otherways Emergent Futures bin ich als selbstständige Kultur- und Transformationsforscherin, Faciliator, Coachin und Prozessgestalterin aktiv. Ich engagiere mich als Elternsprecherin unserer Schule (Gemeinschaftsschule im Aufbau mit sonderpädagogischem Fokus Autismus) im Bezirkselternausschuss Friedrichshain-Kreuzberg und unterstütze ehrenamtlich das Post Growth Institute im Research & Free Money Day Circle.

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