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Wie virtuelle Meetings durch digitale Moderation wirksamer werden

Digitale Moderation von virtuellen Meetings

Virtuelle Meetings sind anstrengend. Diese Erfahrung hat vermutlich jeder schon einmal gemacht, der mit mehr als zwei Personen über eine größere räumliche Distanz zu kommunizieren versucht hat. Auch wenn es inzwischen zahlreiche technische Lösungen für dieses Problem gibt, kämpfen viele virtuelle Teams weiterhin mit der Herausforderung des fehlenden persönlichen Kontakts. Digitale Moderation kann helfen, diesen zu kompensieren und so zur Steigerung der Wirksamkeit von Online-Meetings beitragen. Dabei geht es weniger um technische als methodische Fragen. Meine vier Prinzipien der digitalen Moderation habe ich hier zusammengestellt. Und ein paar Tool-Hinweise gibt es auch.

Du kennst das: Eine Telko mit mehreren Personen steht an, (fast) alle wählen sich ein, manche fliegen gleich wieder raus, niemand weiß so recht, wer nun eigentlich an Bord ist, aber man legt schon mal los. Schließlich ist die Zeit knapp, und das Thema wurde schon mehrfach besprochen, aber nie zu Ende gebracht. Weitere Illustration gefällig? Dann wirf mal einen Blick in das folgende Video 🙂

Digitale Moderation bedeutet, Arbeitsfähigkeit herzustellen und aufrechtzuerhalten

Aus Moderationssicht ist in solchen Meetings zu keinem Zeitpunkt eine wirkliche Arbeitsfähigkeit der Gruppe erreicht. Mindestens einer der Teilnehmer ist jeweils dank Verbindungsproblemen, Hintergrundgeräuschen oder anderen Ablenkungen nicht mit seiner Aufmerksamkeit beim Thema. So ist die Gruppe nicht beschlussfähig. Egal, was von einzelnen entschieden wird, es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die restlichen Beteiligten diese Entscheidung mittragen und zu ihrer Umsetzung beitragen werden. Das Risiko, dass die im virtuellen Meeting besprochenen To-Dos versanden, ist dann sehr hoch. Zudem kommen die Teilnehmer nicht in einen echten Kontakt miteinander. Keiner weiß so genau, wer nun eigentlich online ist und was er oder sie zu sagen hat. Dieser Kontakt ist für virtuelle Teams jedoch noch wichtiger als für Teams, die einen gemeinsamen Arbeitsort haben. Letztere begegnen sich auch am Kaffeeautomaten und haben dort die Chance, sich kennenzulernen – erstere nicht.

Erstaunlicherweise halten wir solche Störungen der Arbeitsfähigkeit in virtuellen Meetings für ganz normal. Was wir in Präsenz-Meetings mit Augenrollen oder Auf-den-Tisch-hauen sanktionieren, lassen wir uns und anderen im virtuellen Raum regelmäßig durchgehen. In der (digitalen) Moderation hat die Arbeitsfähigkeit der Gruppe für mich daher oberste Priorität. Die folgenden vier Prinzipien helfen mir, die Teilnehmer miteinander in Kontakt zu bringen und den gemeinsamen Fokus auf das Thema zu lenken.

Prinzip 1: Störungen haben Vorrang – auch und gerade technische

Um den häufigsten Störungen bereits im Vorfeld zu begegnen, setze ich bei der digitalen Moderation auf eine akribische Vorbereitung. Ich kläre, welche technischen Hilfsmittel zur Verfügung stehen und treffe vorab eine Entscheidung, welche für das anstehende Meeting genutzt werden. Das teile ich allen Teilnehmern vorab mit und gehe bei Bedarf auf die üblichen Pappenheimer – „Are we all using Macs?“ – bilateral zu. Das sorgt für „Waffengleichheit“ unter den Teilnehmern – aus meiner Sicht eine wichtige Voraussetzung für einen konstruktiven Dialog auf Augenhöhe.

Kommt es dann doch zu Einwahlschwierigkeiten oder vorübergehenden Verbindungsproblemen, unterbreche ich die Diskussion und sorge als Moderatorin dafür, dass die Person wieder an Bord geholt wird. Dieses Warten nervt, erspart dem Team aber nachträgliche Sonderschleifen, um alle auf einen Informationsstand zu bringen. Außerdem erhöht das Warten den sozialen Druck auf den „Störer“, das nächste Mal für eine störungsfreie Teilnahme zu sorgen.

Zugegeben: Die Rolle der nervigen Erbsenzählerin, die die anderen immer wieder auf ihre Missachtung der Meeting-Etikette hinweist, ist nicht gerade attraktiv. Niemand tut das gerne. Aber die Gruppe wird es Dir danken. Und nach wenigen Meetings, in denen Du als Moderator konsequent auf Störungen eingehst, stellt sich eine selbstverständliche Routine ein.

Und was ist mit Tools?

Meiner Erfahrung nach ist inzwischen die Mehrheit der Unternehmen mit annehmbarer Technik zur digitalen Moderation virtueller Meetings ausgestattet: Telefon- oder Videokonferenzsysteme, Desktopsharing, Instant Messaging. Um Konnektivitätsprobleme zu vermeiden, verzichte ich im Zweifel sogar lieber auf einen der verfügbaren Kanäle – in der Regel Video – , um stattdessen sicherzustellen, dass die Diskussion nicht durch Verbindungsausfälle gestört wird. Außerdem lohnt es sich meiner Erfahrung nach, die verschiedenen Tools kreativ zu kombinieren. Ich habe z.B. eine Meetingserie regelmäßig per Skype-for-Business und gleichzeitig per Telefonkonferenz durchgeführt. Und zwar über beide Kanäle für alle Teilnehmer, nicht zur Auswahl nach persönlicher Präferenz. Skype wurde dann ausschließlich für die Übertragung des Bildschirms genutzt, die Telko für den Ton. Und das Bild haben wir uns gespart. Vielleicht auch ein Modell für Deinen nächsten Conference Call?

Prinzip 2: Gemeinsamer Fokus und echter Austausch durch Visualisierung

Worauf ich in der digitalen Moderation am wenigsten verzichten möchte, ist das Teilen meines Bildschirms. Und zwar nicht, um die anderen Teilnehmer mit meiner 100 Folien starken Powerpoint zu langweilen, sondern um einen gemeinsamen Fokus im virtuellen Nebel herzustellen. Wenn auf dem geteilten Bildschirm etwas passiert, was alle interessiert, steigt bei den Teilnehmern die Bereitschaft, die parallel geöffneten Mails mal für eine halbe Stunde auszublenden. Um dem Geschehen auf dem geteilten Bildschirm genau diese Relevanz zu verleihen, greife ich auf eine klassische Moderationsmethode zurück: Das Mitvisualisieren.

Damit ist in diesem Fall nicht Graphic Recording gemeint, sondern das für alle sichtbare Mitschreiben dessen, was im Meeting besprochen wird: Agendapunkte, Wortbeiträge, Fragen, Argumente. So entsteht eine live-Dokumentation der Diskussion, und zwischen den Beteiligten wird ein echter Austausch ermöglicht. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Beiträgen der einzelnen Teilnehmer werden nicht nur hör- sondern auch sichtbar. Wer spricht, fühlt sich gehört und erfährt die Aufmerksamkeit, die ihm sonst im virtuellen Raum vielleicht fehlt und durch überlange Wortbeiträge kompensiert wird. Falls eine Teilnehmerin oder die Gruppe doch einmal in eine inhaltliche Endlosschleife verfällt, kann ich als Moderatorin darauf hinweisen, dass der Punkt bereits festgehalten wurde. Verständnisfragen unter den Teilnehmern können in Echtzeit geklärt und Gedanken der Einzelnen zu einem gemeinsamen Bild weiterentwickelt werden.

Insgesamt erlaubt mir die Visualisierung eine stärkere Strukturierung der Diskussion. Das zahlt auf die Arbeitsfähigkeit der Gruppe ein, da die Teilnehmer zu jedem Zeitpunkt wissen, was gerade Thema ist und was später besprochen wird. Nebenbei entsteht durch die Visualisierung gleich ein Protokoll, aus dem nicht nur die getroffenen Vereinbarungen, sondern auch der Diskussionsprozess hervorgeht – das kann nützlich sein, um abwesende Team-Mitglieder nachträglich sowohl über das ‚Was?‘ als auch über das ‚Weshalb?‘ zu informieren.

Und was ist mit Tools?

Grundvoraussetzung für das virtuelle Mitvisualisieren ist natürlich die Möglichkeit, den Bildschirm des Moderators über ein entsprechendes Tool mit allen (!) Teilnehmern zu teilen. Das geht über Skype (for Business), WebEx, TeamViewer oder andere gängige Anwendungen. Zum Mitvisualisieren eignen sich in der einfachsten Variante Powerpoint oder ähnliches. Einfach eine leere Datei öffnen und los geht’s. Das ist nicht schön, aber es funktioniert.

Besser sind interaktive Tools wie z.B. Trello oder Office 365 Groups, die auch zur Vor- und Nachbereitung und anschließendem Aufgabenmanagement genutzt werden können. Jörg hatte zu dem Thema vor einer Weile auch das schicke und mächtige Mural vorgestellt. Ein ähnliches Visualisierungsfeeling wie mit analogen Tools lässt sich entweder mithilfe von Eingabestiften, Tablets und entsprechenden Apps oder einem Smartpen erreichen. Damit lässt sich auf Papier schreiben und zeichnen wie in der klassischen Moderation an Flipchart und Pinnwand. Gegenüber textlastigen Tools ist dementsprechend die Bandbreite der Visualisierungselemente größer.

Prinzip 3: Prozessfragen stellen und Metakommunikation ermöglichen

Eine der größten Herausforderungen virtueller Meetings ist die fehlende nonverbale Kommunikation. Was wir im Präsenz-Meeting mit Körpersprache, Mimik und Gestik aushandeln, muss im virtuellen Meeting expliziert werden. Ohne Blickkontakt zu allen Teilnehmern ist es für die Gruppe quasi unmöglich, zu entscheiden, wer als nächstes spricht, ob das Thema abgehakt ist, und wer noch Fragezeichen im Gesicht hat. Als Moderator kannst Du diese fehlende nonverbale Kommunikation kompensieren, indem Du das Meeting durch Prozessfragen strukturierst und entschleunigst:

Digitale Moderation Prozessfragen

Jenseits der reinen Prozessstrukturierung kannst Du außerdem – speziell am Ende – Reflexionsschleifen in Euer Meeting einbauen, um die Teilnehmer zur Metakommunikation anzuregen. So hat die Gruppe nicht nur die Chance, virtuell nicht wahrnehmbare Zwischentöne einzufangen, sondern auch von Meeting zu Meeting zu lernen und die Meeting-Qualität zu verbessern. Ich frage in der analogen wie der digitalen Moderation daher gerne zum Abschluss des Meetings:

Digitale Moderation Reflexionsfragen

Und was ist mit Tools?

Die einzigen Tools, die Du als Moderator hierfür wirklich brauchst, sind Sprache, Herz und Hirn. Begib Dich in die Vogelperspektive und schaue, was gerade passiert: Hat eine Teilnehmerin einen übergroßen Redeanteil? Hat eine anderer nach seinem „Hi, hier ist Peter“ gar nichts mehr gesagt? Was braucht die Gruppe, um gut am Thema weiterzuarbeiten? Eine gute Orientierung bieten hier auch Jörgs Faustformeln für die Moderation. Habe ich es mit einem Team, einer Gruppe oder lose zusammengewürfelten Teilnehmern zu tun? Um im virtuellen Nebel nicht selbst den Überblick über die Teilnehmer zu verlieren, hilft es, sich als Moderator einen fiktiven Sitzplan der Teilnehmer zu machen, mit dem man sich vorstellt, wer wo sitzen würde.

Prinzip 4: Mehr Interaktion ermöglichen

Wenn Du die ersten drei Prinzipien beherzigst, sollte die Wirksamkeit Deiner digitalen Moderation rasch steigen. Doch gerade wenn es um komplexe Fragestellungen geht, die kreative Lösungen und interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern, wird die Kür zur Pflicht: Mehr Interaktion zwischen den Teilnehmern zu ermöglichen. Auch hier lassen sich klassische Moderationsmethoden wie Murmelgruppen, Kleingruppenarbeit oder Kartenfragen auf den virtuellen Raum übertragen. Selbst Teamentwicklungsprozesse lassen sich digital moderieren. Dieses letzte Prinzip gewinnt deutlich mit entsprechender technischer Unterstützung. Daher springe ich direkt zur Frage…

Und was ist mit Tools?

Gute Möglichkeiten für die Gestaltung interaktiver virtueller Formate bieten Webinartools, wie z.B. Adobe Connect. Über Chatfunktionen können Teilnehmer in Kleingruppen Fragen vorbereiten oder über eine These (anonym) abstimmen. Weitere Ideen, was mit solchen Tools alles geht, findet Ihr auf dem Blog von Dagmar Dörner. Doch auch hier gilt wieder, dass das Fehlen des perfekten Tools keine Entschuldigung ist, eine gute Methode nicht anzuwenden. Chatfunktionen sind in gängigen Unternehmenssoftware-Paketen in der Regel enthalten. Und selbst eine Telko kann man für eine Kleingruppenarbeit auf getrennten Leitungen für ein paar Minuten unterbrechen – wenn man denn will.

Zu guter Letzt

Eine gute Meetingqualität ist Führungsaufgabe. Wenn Du als Führungskraft die Zusammenarbeit Deines virtuellen Teams verbessern willst, sind die gemeinsamen (virtuellen) Meetings der zentrale Stellhebel. Du musst die Meetings nicht selbst moderieren. Aber Du solltest dafür sorgen, dass es jemand tut. Je nach Thema kann das ein Teammitglied sein oder – bei komplexeren Projekten – ein externer Moderationsprofi. Meine Erfahrung ist, dass spätestens nach dem ersten professionell moderierten virtuellen Meeting niemand mehr diese Unterstützung missen möchte.

Was sind Deine Erfahrungen mit digitaler Moderation? Welche Methoden und Tools setzt Du ein?

Das Lego-Titelbild stammt von Markus Lütkemeyer. 

Anne Lamberts
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Über unsere Gastautorin: Anne Lamberts ist systemische Organisationsberaterin und unterstützt Unternehmen, Führungskräfte und Teams bei der nachhaltigen Umsetzung von Veränderungsprojekten. Seit 2010 beschäftigt sie sich beruflich mit Wandel in Organisationen – zunächst als Beteiligte und Beobachterin, später als interne Organisationsentwicklerin und schließlich als selbständige Beraterin. Menschen miteinander in einen echten Dialog zu bringen, Kommunikationslücken zu schließen und verbindliche Vereinbarungen zu ermöglichen, ist dabei die Essenz ihrer Beratungsarbeit – auch und gerade in der Moderation. Auf ihrem Blog gibt sie regelmäßig Denkanstöße zu Change Management, Führung, HR und Kommunikation.

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