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7 Fragen an: Uwe Lübbermann, Premium Cola

Uwe Lübbermann - Premiumcola

Während eines Sommerspaziergangs auf Entenwerder vor 2,5 Jahren hatte ich die Gelegenheit, Uwe Lübbermann kennenzulernen. Damals habe ich ihn für meinen Think-Tank zu Agenturen der Zukunft interviewt, da ich die Organisation von Premium Cola sehr spannend finde. Das Gespräch hatte eine wunderbare Tiefe und Offenheit und ist mir bis heute als eines der besten Interviews in Erinnerung geblieben. Umso mehr freue ich mich, dass Uwe sich die Zeit für dieses kurze Interview genommen hat. 

1. Stelle Dich und Deine Arbeit bitte kurz vor

Moin! Ich bin der „zentrale Moderator“ des Premium-Getränkekollektivs. Das heißt, ich bin dafür zuständig mit insgesamt 1680 gewerblichen Partner_innen und potenziell einigen zehntausend Endkund_innen einen Konsens zu erreichen – in allen Fragen, die irgendjemand aufwirft. Filter gibt es nicht. Zugangsfilter zum Kollektiv gibt es auch kaum. Es reicht, Stakeholder_in zu sein (egal ob intern oder extern, genau das soll ja aufgelöst werden, jeder Mensch ist gleich wichtig), eine/n vorhandenen Kollektivist_in mal persönlich gesehen zu haben, und einen realen Namen anzugeben. Das wars. Im Moment reden rund 130 Leute mit, und jede/r einzelne hat dabei Vetorecht. Das heisst, sobald jemand das Wort „Veto“ ausspricht (eine Begründung ist keine Pflicht), ist eine Entscheidung so nicht getroffen. Es klingt für die meisten Menschen unmöglich, so ein Unternehmen zu steuern, aber das mache ich seit 2001.

2. Wann wirst Du als zentraler Moderator von Premium Cola hinzugezogen?

Täglich, mehrmals 🙂

3. Dein schönstes Moderations-Erlebnis?

Bei einem unserer Offline-Treffen, rund 40 Leute im Raum, alle formal unabhängig und mit dem o.g. Vetorecht in der Hand. Wir haben Frage diskutiert, ob wir eine Apfelschorle machen wollen: Bio oder Streuobst oder beides, wenn das geht. Wem nehmen wir damit evtl. Umsatz weg und wollen wir das. Regionales oder überregionales Angebot? Flaschenformate, Abläufe, … Ist es realistisch für uns, das zu schaffen? Was macht eine Apfelschorle mit unserer generellen Aufstellung usw. usf.? Viele komplexe Fragen. Nach zwei Stunden war das allermeiste ausdiskutiert, und die Frage aller Fragen kam: machen wirs oder lassen wirs? Ruhe im Saal, alle Augen zu mir, obwohl niemand sich was sagen lassen muss – die wollten, dass ich im Sinne aller den besten Beschlussvorschlag draus mache. Wenn mir das gelingt, legt niemand ein Veto ein. Das war ein sehr tolles Gefühl, eine Art verliehene Autorität auf Vertrauensbasis, solange ichs gut hinkriege. Wir haben dann keine Apfelschorle gemacht.

4. Worauf achtest Du bei der Moderation ganz besonders?

Gute Frage. Auf alles? 🙂 Meine wichtigste Aufgabe ist, glaube ich, das
Gesamtbild auf dem Radar zu haben. Alles hängt mit allem zusammen, redet
man hier, bewegt sich da hinten was, piekt man dort, passiert woanders
was. Das Gesamtbild ist das Entscheidende, und es scheint mir am Besten
zu gelingen, das auf dem Radar zu haben und zu moderieren.

5. Wie müssen die Ergebnisse gestaltet sein, damit sie bei Euch im Alltag genutzt und umgesetzt werden?

Erfahrungsgemäß: einfach. Mitlesen ist bei uns schon relativ populär. Mitreden schon nicht mehr ganz so, weil man dafür seinen Kopf benutzen muss. Mitmachen ist nicht populär. Die Chance, dass eine Entscheidung auch umgesetzt wird, ist umso größer, je einfacher sie strukturiert ist. Die allermeisten Menschen sind es IMHO gewohnt, dass ihnen jemand sagt, was sie wie womit und bis wann tun sollen. Einen Chef wollen sie aber nicht haben 🙂 Das ist und bleibt ein Spannungsfeld bei uns.

6. Was darf in Deinem echten, virtuellen oder mentalen „Moderationskoffer“ nicht fehlen?

Geduld. Es gibt immer wieder mal Situationen, in denen es verlockend oder nötig scheint, doch alleine zu bestimmen. Das wäre aber schädlich fürs Gesamtbild. Also, auch wenns mal nicht läuft: Geduld. Auf lange Sicht entscheidet sich, ob das Gesamtwerk funktioniert, und ob jemand so einen wilden Haufen wirklich moderieren kann. In „Friedenszeiten“ ist es leicht. Wenns knallt wird es schwierig. Das ist zwar sehr selten bei uns, aber dann kommts drauf an, und dann brauchst du das Vertrauen der Leute. Das erreichst du nur langfristig mit viel Geduld bei allem …

7. Woher holst Du Dir Inspirationen für neue Tools, Spielchen, …?

Ich mache regelmäßig einen Workshop „angewandte Konsensdemokratie“, und
dabei kommt immer was Neues heraus. www.premiumcola.de/kollektiv/workshop

Uwe Lübbermann auf Twitter folgen.

 

Jörg Jelden

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  1. Pingback: Unternehmensdemokraten, Überforderung – und Jesus? Drei Gedanken, die Sie denken dürfen! › hzaborowski

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