Hallo, jüngst fragte uns Zoom: „Möchtet ihr euer Jahres-Abo fortführen?“
Daraus entstand ein Moment des Innehaltens. Während der Lockdowns haben wir zig eigene virtuelle Angebote initiiert: Zoom-Resonanzräume rund um Organisationen und Pandemie, virtuelle Weihnachtsfeiern und Online-Konferenzen. Mit 12 Menschen haben wir ein Jahr lang monatlich im „Transformation Circle“ Projekte rund um sozial-ökologisch-organisationale Umbrüche weitergedacht und Transformationswissen weitergetragen. In virtuellen Trainings zu „(Remote) Retrospektiven in Aktion“ sowie „Futures Thinking in Aktion“ haben wir unser methodisches Wissen szenisch-spielerisch vermittelt – und gemeinsam mit Extinction Rebellion Solarpunk-Geschichten erlebbar gemacht.
All das pausiert jetzt. Das Projektgeschäft ist mit voller Macht zurück, kaum ein Kunde fragt noch virtuelle Workshops an und die Fülle an spannenden Präsenz-Veranstaltungen aller Art ist schier überwältigend. Wir sind natürlich weiter ansprechbar, wenn es um organisations- oder abteilungsübergreifende Transformation Circle oder Inhouse-Trainingsangebote zu besagten Themen geht. Vor allem aber: wir wollen, dass virtuelle Workshops weiterleben (ja, wir führen das Zoom-Abo fort). Nach dem Prinzip „Letting go, letting come“ können wir die tollen Erfahrungen gut loslassen und sind bereit für Neues, das entstehen will.
Auf bald,
Dirk, Jörg, Valentin
1. Vor der Kirche: Karten statt Warten
Viele Workshops sind pickepackevollgepackt (aka inhaltlich überfrachtet). Um die gemeinsame Zeit zu ent-frachten, bietet sich neben der Ausgliederung von Fragen und Arbeitspaketen in die Zeit vor bzw. nach dem Workshop auch das Zeitfenster zwischen Ankommen und Beginn eines Workshops an. Eine These, die die Teilnehmer*innen bepunkten, sorgt für gedanklich-emotionales Einschwingen und ersten informellen, inhaltlichen Austausch. Alternativ tut es eine Tabelle mit erheiternd-anregenden, vor- und um-die-Ecke-denkenden Fragen. Die Ergebnisse lassen sich gezielt einweben oder sickern über die räumliche Präsenz in den Diskurs ein. Bei uns läuft das unter dem Stichwort Softstart. In der Metaplan-Moderation wird dazu liebevoll auch „Vor der Kirche“ gesagt.
2. Hände hoch: dies ist ein Gruppenüberfall
Wenn sich in Großgruppenworkshops Klein- und Murmelgruppen bilden und viele gleichzeitig reden, ist es als Facilitator*in manchmal schwierig, die Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Wer den uneleganten Weg über Lautstärke meiden und schneller wieder Zugriff auf die Gruppe bekommen möchte, sollte es mal mit der Hände-hoch-Moderation probieren. Dafür vereinbaren und erproben wir zu Beginn des Workshops oder Events folgendes:„Sobald jemand sieht, dass ich als Facilitator*in beide Hände hebe, hebt diese Person ebenfalls beide Hände, hört auf zu sprechen und schaut mich an. Sobald jetzt andere jemanden mit erhobenen Händen sehen, heben sie auch die Hände, hören auf zu sprechen und richten den Blick zu uns als Leitung.“In sehr kurzer Zeit entsteht selbst über große Entfernungen, durch Glasscheiben hindurch und selbst in andere Räume, eine Refokussierung. Vorausgesetzt alle halten die Hände oben, bis ich als Facilitator*in sie senke. Die Hände-hoch-Moderation ist nicht nur elegant und schnell. Sie bringt auch Heiterkeit in den Raum, weil plötzlich ein Gesprächspartner die Hände hochreißt, verstummt und mit erhobenen Händen dasteht.
3. Support-Zone: Ding dong, ich brauche Hilfe
Wir haben es vor Jahren schon in einem Blogbeitrag beschrieben – und wir glauben immer noch daran: Eine Unternehmenskultur lässt sich nicht durch individuelle Mindset-Appelle oder kollektive Kollaborations-Aufforderungen verbessern, sondern immer nur durch eine Anpassung der Strukturen. Was für Organisationen in Transformationsprozessen gilt, gilt im Kleinen auch für Workshops. Als wir neulich eine Veranstaltung moderiert haben, in der es in einer Arbeits-Session um die Auswirkungen zukünftiger makro-ökonomischer Faktoren auf die Budgetplanung ging, sagte einer der Teilnehmer*innen: „Ich bin gerade etwas lost und werde hierfür Unterstützung brauchen.“ Da wir verhindern wollten, dass dieser Appell in einer Phase konzentrierter Einzel- bzw. Kleingruppenarbeit verpufft, haben wir kurzerhand in der Mitte des Raumes mit Krepp-Band eine Support-Zone errichtet und gesagt, dass alle, die Unterstützung brauchen, in dieses Quadrat eintreten und sich mit einer Hupe bemerkbar machen sollen. Es war letztlich eine Strukturintervention, um für eine andere Zusammenarbeits- und Kommunikationskultur im Workshop zu sorgen. Die Zone wurde rege genutzt – nicht nur wegen der Hupe 😉
Ähnliche Interventionen aus dem Archiv: Das Multi-Purpose-Sensing-Device, Workshop-Regeln oder die Art und Weise, wie Präsentationen diskutiert und Rückpräsentationen gehalten werden.
4. Metamorphosen: Aus der Haut gefahren
Letztens war wieder das Netzwerktreffen der Metaplan-Professionals. Im Rahmen der beiden Tage gab es auch eine Führung durch die – anlässlich des Firmenjubiläums ins Leben gerufene – Ausstellung „50 Jahre Zukunft des Organisierens“. Eine von Wiebke Gronemeyer unglaublich toll kuratierte Ausstellung. Besonderes Highlight: der Rekrutierungsparcours in „alt“ und „neu“: ein Entscheidungsbaum, der 1968 zum Anwerben neuer Kolleg*innen in vielen Universitäten des Landes ausgehängt wurde, und der als firmenhistorisches Artefakt zu einem neuzeitlichen Parcours inspirierte, der beim Park-Spaziergang erlebt und beantwortet werden darf. Ebenso toll: Die Soundcollage alter Tonband-Mitschnitte auf den sonst „stillen Örtchen“. Es gab also immer einen guten Grund, länger auf der Toilette zu verweilen. Wer nicht in den Genuss kommt, die Ausstellung „METAMORPHOSEN“ persönlich zu sehen, kann hier zumindest die Exponate digital erleben.
5. Klimaparlament sämtlicher Wesen und Unwesen
Mit dem Thema Klimakatastrophe starteten wir 2019 in die öffentliche Arbeit mit Aktionsmethoden. Während der Jahre in Zoomland (aka Covid-Lockdowns) haben wir zig weitere Sessions unter anderem auf Basis von Climate-Fiction-Storys durchgeführt. Als wiederkehrendes Setting schälte sich dabei ein Zukunftsrat heraus – der mit fiktiven Charakteren besetzt etwa die eigene Organisation berät (Blogartikel dazu ist in Arbeit).
Unsere Arbeit mit dem Museum Sinclair Haus und der Ausstellung „Wandelmut“ führte uns zu Steffen Popp. Mit seinen Mitstreiter*innen veranstaltet er das „Klimaparlament sämtlicher Wesen und Unwesen„. Gestartet auf Kampnagel in Hamburg, tagt das nächste Parlament am 2. & 3. Oktober im Frankfurter Senckenbergmuseum. Dann appellieren Groß und Klein als Baum, Wespe oder Mykorrhiza im fiktiven Parlament und formulieren ihre Forderungen. Der Beschluss wird am Ende dann der Frankfurter Oberbürgermeisterin übergeben. Unsere Kinder sind dabei – wir freuen uns sehr. Auch, weil sich hier komplett unsere Arbeits- und Privatwelt mischt – nichts anderes braucht es in Sachen Klimakatastrophe (Tickets gibt es hier).
Apropos: an diesem Freitag ist Klimastreik. Wir sind in Hamburg dabei! Und hoffen, möglichst viele von euch woauchimmer ebenso.