Wer würde nicht gern in der Zeit reisen können, um von der Zukunft zu lernen? Mit Pre-Mortems wagen wir uns für ein bestimmtes Vorhaben oder Projekt auf eine solche Reise und schauen aus einer gescheiterten Zukunft zurück. Wir behandeln die Zukunft als wäre sie eine Gegenwart, und das Scheitern unseres Projekts ist ein Fakt. Durch diesen Perspektivwechsel erlangen wir einen neuen Blick auf das Heute und die Wege ins Morgen. Wir sehen Dinge, die zuvor nicht bedacht wurden und können so Fallstricke vermeiden, Barrieren umschiffen und Erfolgskriterien stärken. Durch solche Perspektivwechsel steigt die Wahrscheinlichkeit, zukünftige Ereignisse richtig vorherzusehen, um 30%*.
Daniel Kahnemann** beschreibt Pre-Mortems als sein Lieblings-Instrumtent, um für Entscheidungen eine bessere Grundlage zu entwickeln und die Fähigkeit zur Vorausschau zu steigern. Denn die Wahrnehmungen in Organisationen sind von einer Reihe von Effekten, wie z.B. dem HiPPO (Highest Paid People Opinion) oder Zweckoptimismus, verzerrt. Diesen sogenannten Perception Biases werden wir uns zu einem späteren Zeitpunkt noch zuwenden. Nun, ein Pre-Mortem ist nicht nur Daniel Kahnemanns Lieblingstool, auch Start-Ups wie AirBnB oder Asana nutzen diese Vorgehensweisen, um ein vollständigeres Bild zu erlangen.
In unserem früheren Leben waren Dirk und ich Zukunftsforscher, und Valentin war professioneller Geschichtenerzähler. Solche Arten von Perspektivwechsel gehören daher seit langer Zeit in unsere Toolboxen. Pre-Mortems haben wir dagegen erst Anfang 2014 entdeckt und seither fleißig angewendet. Ich habe das Tool sowohl im Rahmen einer 15-Minütigen kreativen Störung hier im Betahaus, innerhalb mehrtägiger Workshops als auch in größeren Gruppen auf Konferenzen durchgeführt und durchweg gute Erfahrung damit gesammelt. Am 13.6.2015 habe ich eine Pre-Mortem-Session für Start-Ups auf der „Gründen heute“ in Hannover durchgeführt. Das war eine Wiederholung unseres Workshops auf der Social-Media-Week vom Februar 2015.
Aber nun zum Workshop-Tool Pre-Mortem:
Mit diesen Schritten könnt Ihr Euren eigenen Pre-Mortem-Workshop durchführen.
- Identifiziert ein Projekt oder eine Fragestellung: Je konkreter das Projekt formuliert ist, desot konkreter werden die Ergebnisse
- Benennt den Zeitpunkt, von dem Ihr zurückschauen wollt: je kurzfristiger, desto kleinteiliger werden die Ergebnisse. Je langfristiger, desto grundlegender werden sie.
- Bringt ein heterogenes Team zusammen: Unterschiedliche Erfahrungen, Abteilungen, Expertisen. Dauer 2-4h
- Eröffnet den Workshop mit: „20XX ist das Vorhaben grandios gescheitert. Wo steht Ihr? Jeder notiert seine Gedanken still für sich
- Sammelt und clustert die Gedanken: Wählt die 3-4 wichtigsten / spannendsten / unangenehmsten Cluster für die Gruppenarbeit aus.
- Teilt Euch in Teams auf. Jede Gruppe bearbeitet ein Szenario-Cluster.
- Road to Hell. „Was war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat?“ „Wie nahm das Unheil seinen Lauf?“ „Wie kam das Vorhaben auf die schiefe Bahn?“
- Konjunktiv-Königreich. Welche wichtigen Schritte habt Ihr unterschätzt oder unterlassen und warum? Wir trennen diesen Bereich ab, auch wenn gilt: The road to hell is paved with good intentions.
- Falsche Freunde, Feinde und Verräter. „Wessen Unterstützung konntet Ihr nicht gewinnen?“ „Wer waren die wichtigsten Widersacher?“
- Call to Action: Benennt konkrete Maßnahmen für heute, um zu verhindern, dass das Projekt auf die schiefe Bahn gerät.
- Naming: Gebt Eurem Szenario einen griffigen Namen. Mein Lieblingsname ist und bleibt: „Because you´re not Steve Jobs, asshole“
- Vorstellen: Präsentiert Euch gegenseitig Eure Zukunftsreisen. Sammelt die wichtigsten Fallstricke und Maßnahmen aus jedem Team.
- Sortiert die Fallstricke:
A. Frühwarnsystem: Achtung! Augen auf.
B. Handlungsbedarf: Alarm! Sofort handeln!
- Action Plan: Priorisiert die anstehenden Aufgaben, benennt Verantwortliche und Timings.
Unter allen, die diesen Artikel bis Dienstag (23.06.2015) über Twitter teilen, verlose ich drei halbstündige Pre-Mortem-Sessions. Nutzt den Hashtag #Pre-Mortem und twittert, für welches Vorhaben Ihr dieses Tool einsetzen wollt.
Vielen Dank an Ole Hoffmann für die tollen Bilder von Gründen heute / Hannover Impuls.
* weiterführende Links dazu:
Guardian: Hindsight – It´s not just for past events
Harvard Business Review: Performing a Project Premortem
** Hier ein kurzes Video von Daniel Kahnemann zu Premortems