High Five #31: Hi AI, konnichiwa Origami, servus Dot-Nerds, hallo Zukunft?!, willkommen Debrief, moin Einfluss und ciao Sinnlossorge. 

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Jörg Jelden

Lesedauer 5 Minuten

Hallo zusammen,

und an dieser Stelle auch noch mal ganz formal: willkommen an Bord, neue Kolleg*in ChatGPT. Ja, wir wollen gar nicht drum herumkommen, uns auch hier mit dir zu befassen. In den letzten Wochen daddeln und arbeiten wir vermehrt mit dir zusammen, sind begeistert, angetan, überrascht, mal besorgt, mal beschleunigt. Nach ersten Spielereien sehen wir mehr und mehr, wo du und deine Verwandten uns jetzt und künftig unter die Arme greifen könnt – insbesondere vor, während und nach Workshops. 

In einem kleinen Erfahrungsbericht haben wir eine dieser konkreten Ausprobierereien nun mal online gestellt. Im Kern die Methodenentwicklung für einen neuen Workshop, Hand in Hand mit ChatGPT entwickelt. Davon kommt bestimmt noch mehr und wir freuen uns über Austausch dazu.

Und nun viel Spaß mit High Five, die – außer einer Fußnote – nix mit ChatGPT zu tun haben.

Seid herzlich gegrüßt,

Dirk, Jörg und Valentin


1. Zettel falten statt Stirn runzeln: Organisations-Origami

Wir haben diese kleine Übung von Jouke Kruijer in einer Session der Berlin Change Days kennengelernt. Sie ist denkbar einfach, dauert nur ein paar Minuten und erfordert in der Basis-Variante lediglich ein paar Papierblätter. Im ersten Schritt werden die Teilnehmer*innen eingeladen, aus dem Papier etwas zu basteln, falten, kreieren, das sie an ihre Kindheit erinnert.

In dieser ersten, niedrigschwelligen Runde kommen häufig Klassiker wie Papierflieger, Himmel-und-Hölle, ein Hütchen oder ein Papierschiff. Manchmal werden aber auch ganz besondere Dinge entwickelt, wie ein Motorrad (weil der Vater einer Teilnehmerin sie als Kind immer mit auf seine Motorradtouren genommen hat). Alleine diese Runde ist schon toll, weil sichtbar wird, wie Kindheitserinnerungen in den Köpfen spazieren gehen, wie die Menschen lachen, sich erinnern und versuchen, etwas (fast) Vergessenes wieder in die Gegenwart zu holen.

Diese erste Runde als Warm-up zu beschreiben, würde ihr nicht gerecht werden. Sie ist mehr als das und hat einen ganz eigenen Wert. Wie es weitergeht, entscheidest du als Facilitator*in: Raum geben für das Vergangene oder weiter machen in Richtung Gegenwart oder Zukunft. Beispielsweise lässt sich in einer zweiten Runde etwas (metaphorisches) basteln, das symbolhaft für das eigene Team, die Abteilung oder die Organisation steht. Das anschließende Sharing kann dann im Plenum oder in Kleingruppen stattfinden und kann einen guten Übergang zur nächsten inhaltlichen Phase eines Workshops bieten und der Gruppe helfen, ein Thema oder Schwerpunkt zu finden.


2. Voting in Nerd’s Paradise: Klebepunkte-Formel(n)

Zugegeben: Klebepunkte kommen bei uns dieser Tage viel seltener zum Einsatz als früher, aber dennoch taucht hier und da die Frage auf „wie viele Dots kriegt denn jetzt jede*r?“.

Die Antwort schütteln viele von uns wahrscheinlich aus dem Erfahrungsärmel – eine Mischung aus Anzahl der Leute, Menge der Themen, breitem oder spitzen Fischen. Wir freuen uns immer sehr, wenn etwas mal in irgendeinem Kopf nerdig durchdacht und ins Internet geschrieben wird. Genau das hat John Amrhein von der Michigan State University vor vier Jahren gemacht und die obige Frage mit einer Formel gelöst:

N=[(T/2)xT]/P

Wobei gilt: 

  • T = number of issues or topics
  • P = number of participants
  • N = number of dots needed for each person

Zu einer anderen Formel kommen die Kolleg*innen von AJ Smart, genannt im Artikel von Sandy Lam. Im Artikel geht es noch nerdiger um die verschiedenen Arten von Votes in Workshops – lest da mal rein und entnehmt der ziemlich abweichenden Formel, dass die Mathematik hier noch nicht am Ende aller Weisheiten angekommen ist. 

P.S.: Apropos ChatGPT, die neue Kolleg*in ist manchmal auch einfach angenehm. Da schleicht sich einen Wimpernschlag lang qua Überschrift dieses Beitrags ein mittelmäßiger Ohrwurm in sein Habitat – und schwups, 60 Sekunden später gibt es einen coolio-esken neuen Liedtext mit dem Chorus – und somit neuronale Erleichterung (die ganzen Lyrics auf LinkedIn).


3. „Over the rainbow“ oder „the end is near“: wie schaust du in die Zukunft?

Zukunftsbilder und -erwartungen haben eine große implizite Macht. Es ist kraftvoll, wenn Teams sich dieser Bilder bewusst werden und sie besprechbar machen. Dafür ist das Polak-Game bestens geeignet.
Workshop-Teilnehmer*innen stellen sich zunächst auf der Optimismus-Pessimismus-Achse auf, also ob sie für den jeweiligen Kontext eher eine positive oder eine negative Entwicklung in den nächsten x Jahren erwarten. Anschließend stellen sich die Teilnehmer*innen vertikal dazu nach ihren Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten auf. So verteilen sie sich auf vier Felder: optimistische Gestalter*innen, pessimistische Gestalter*innen, optimistische Betroffene, pessimistische Betroffene.
In beiden Aufstellungsrunden wird gefragt: warum stehst du, wo du stehst? Wir nutzen das Polak-Game gern zu Beginn von Workshops, um dafür zu sensibilisieren, was die Anwesenden vom Morgen erwarten und wie weit die vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten reichen. Wie jede soziometrische Aufstellung aktiviert sie und manifestiert die Verhältnisse räumlich. 

Am Polak-Game ist aber auch die aktionssoziometrische Mechanik interessant. Mit diesem Vorgehen lassen sich auch ganz andere 2×2 Matrizen erstellen.


4. Debrief iacta est

Über den Debriefing Cube von Julian Kea und Chris Caswell stolpern wir seit Langem immer wieder. Für ein Offsite mit viel Teambuilding haben wir nun endlich die Bestellung getätigt. Das Set mit Holzkiste ist wirklich nett gestaltet, die Karten mit Debriefing-Fragen sind nach diesen sechs Kategorien sortiert:

  • Ziel
  • Prozess
  • Gruppendynamik
  • Kommunikation
  • Emotionen
  • Take-Away

Schön ist, dass jede Fragenkarte nicht nur eine Frage, sonder auch je 3 individuelle Nachfragen zeigt, zum Beispiel:

  • Wie bist du mit deinen Gefühlen umgegangen?
    • Welche Gefühle genau?
    • Ist dir das schon mal passiert?
    • Hat das sonst noch jemand bemerkt?

Mit dem Kartendeck lässt sich alles Mögliche anstellen: über Debriefing-Fragen in der Vorbereitung reflektieren, im Workshop als Leitung nutzen, die Teilnehmer*innen ziehen und nutzen lassen, mit den adretten Holzwürfeln Zufall ins Boot holen, ziehen lassen, wählen lassen, anpassen, neue bauen… Macht sich jedenfalls gut in unserem erweiterten Workshop-Gepäck. 
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5. Circle of Influence: Energie sinnvoll einsetzen

„Gib mir die Gelassenheit, das nicht Veränderbare hinzunehmen, den Mut, das zu ändern, was sich ändern lässt – und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ 

Jenseits von Poesie-Büchern lassen sich diese Gestaltungszonen gut an drei konzentrischen Kreisen verdeutlichen und auf Teams und Organisationen übertragen. Von außen nach innen:

  • Circle of Concern: das, was mich/ uns (vielleicht) betrifft, aber ich nicht verändern kann (so wie Wetter, Weltfrieden oder Weltmarktlage)
  • Circle of Influence: das, was mich/ uns betrifft und was wir zwar nicht direkt verändern, aber doch beeinflussen können (meine Reputation, die Zukunft meiner Kinder, die Büro-Präsenzzeiten meiner Kolleg*innen) 
  • Circle of Control: das, was direkt in meiner/ unserer Macht steht zu ändern (meine Gedanken, Entscheidungen oder der Ablauf unseres Team-Meetings)

Gerade, wenn in Workshops über bestimmte Rahmenbedingungen oder Situationen geflucht oder über die Realisierbarkeit bestimmter Ideen diskutiert wird, kann es helfen, alles einmal mit der Brille dieser drei Kreise zu sehen. Dann wird deutlich, was im eigenen Gestaltungsbereich liegt und was eher nicht. Meist ist diese “Sortierung” sehr hilfreich, und die daraus abgeleiteten Fragen geben der Diskussion einen ganz neuen Schwung: Was kann ich selbst entscheiden? Was kann ich persönlich tun, um die Situation zu verändern. Und was kann ich (oder können wir als Team) zumindest beeinflussen und in unserem Sinne darauf einwirken, obwohl wir es nicht entscheiden können? Und womit müssen wir uns einfach abfinden und brauchen uns nicht weiter energetisch zu verausgaben?

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