Methoden & Werkzeuge

Praxistipps: So werden Corporate Barcamps ein Erfolg

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Jörg Jelden

Lesedauer 8 Minuten

Teil II: Wie organisiere ich ein perfektes Corporate BarCamp?

In Teil I seiner Serie über Corporate BarCamps hat unser Gastautor und BarCamp-Experte Moritz Avenarius erläutert, was das Besondere an dieser Form der Unternehmenskonferenz ist. Nun teilt er seine Corporate-BarCamp-Praxistipps und zeigt, was Du konkret brauchst und beachten solltest, damit Dein BarCamp-Event am Ende ein voller Erfolg für alle Beteiligten wird.

Bevor Du loslegst: wo willst Du hin?

Wer ein Corporate BarCamp plant, sollte als erstes folgende Fragen beantworten: „Welchen Nutzen soll das Camp in unserem Unternehmen stiften? Und was soll am Ende an konkreten Zielen  herauskommen?“ Wie bei jedem erfolgreichen Projekt braucht auch ein Corporate BarCamp zu Beginn eine genaue Auftragsklärung mit dem Sponsor bzw. Auftraggeber des Events.

Im unternehmerischen Kontext können BarCamps für verschiedene Ziele und Zwecke genutzt werden, etwa:

  • Den Wissensaustausch zwischen Abteilungen fördern
  • Gespräche mit externen Gruppen (Lieferanten, Kunden, Politik, etc.) ermöglichen
  • Ideen für zukünftige Innovationsprojekte identifizieren
  • Die Weiterbildung der Mitarbeiter unterstützen

Wenn Du Ziel und Nutzen festgemacht hast, warten insgesamt 7 Herausforderungen auf Dich auf dem Weg zum perfekten Corporate BarCamp

1.   Welchen thematischen Rahmen soll das Camp haben?

2.   Wer soll teilnehmen?

3.   Was ist die Rolle der Moderation auf dem Camp?

4.   Wie motivierst Du die Teilnehmer aktiv mitzumachen?

5.   Wie hälst Du die Arbeitsdynamik während des Camps am Laufen?

6.   Wie gestaltest Du einen gelungenen Abschluss der Veranstaltung?

7.   Wie geht es nach dem Camp weiter?

Auf geht’s!

1. Wie sieht der thematische Rahmen aus?

Das Thema Eures Corporate BarCamps leitet sich direkt aus dem Ziel des Events ab (siehe oben). Deine Herausforderung ist es, dieses so zu formulieren, dass die potenziellen Teilnehmer den Sinn und Zweck leicht verstehen. Im Idealfall liest es sich wie eine Einladung zum Mitmachen. Die Beschreibung des Themas sollte nicht länger als 3-4 Sätze sein und sich auch im Namen des Camps ausdrücken. Für einen IT-Dienstleister organisiere ich z.B. regelmäßig ein internes Camp für den Wissensaustausch der Programmierer untereinander. Zentrales Thema sind hier aktuelle Entwicklungen bei Softwareentwicklung, Programmiersprachen und agilen Arbeitsweisen. Entsprechend haben wir die Veranstaltung „KnowHowCamp“ getauft. Dadurch wissen die Kollegen stets was Sinn und Zweck des Camps ist und wir machen es ihnen leicht im Alltag über das Event zu reden.

Meine Corporate-BarCamp-Praxistipps: Beschreibe das Thema des Corporate BarCamps spezifisch, aber nicht bereits einschränkend bezüglich möglicher Lösungen. Bewährt hat sich das Thema als Frage zu formulieren, z.B. „Welche IT-Technologien sehen wir heute schon, die in 1-2 Jahren in aller Munde sein werden?“

2. Wer soll teilnehmen?

Die einfache Antwort: jeder, der aus sich heraus für das Thema des BarCamps brennt. Beim Corporate BarCamp muss diese Regel allerdings genauer gefasst werden mit Blick auf das konkrete unternehmerische Ziel des Events (siehe oben). Deine Entscheidung wird letztlich durch zwei Teilnehmergruppen bestimmt: auf der einen Seite sind dies die Mitarbeiter Eures Unternehmens. Die Kollegen brauchen bei bestimmten Themen die Gewissheit sich in einem geschützten Raum austauschen und dabei auch durchaus heikle, interne Dinge zur Sprache bringen zu können. Hier gilt es also das Maß an Vertrauen zu finden, was Ihr untereinander benötigt.

Auf der anderen Seite bringen externe Teilnehmer (Kunden, Lieferanten, Fachexperten, etc.) frischen Wind und neue Ideen auf Euer Corporate BarCamp. Auschlaggebend ist in diesem Fall der Umfang an Inspiration (und bisweilen Irritation), den Ihr Euch wünscht und auszuhalten bereit seid. Der beste Weg das passende Maß zwischen diesen beiden Polen zu finden: lean! D.h. schlank ausprobieren und testen. Wenn externe Gäste eingeladen werden, achte darauf, dass Du transparent und klar in beide Richtungen (intern wie extern) Funktion und Zielsetzung Eures Camps kommunizierst.

Meine Corporate-BarCamp-Praxistipps: Wie bei den offenen, netzwerkartigen Community BarCamps sollte die Teilnahme an einem Corporate BarCamp für die Mitarbeiter freiwillig sein. Binde daher Kollegen (und entsprechend externe Teilnehmer) frühzeitig in die Vorbereitung des BarCamps ein. Erstelle hierfür eine eigene Eventseite (im Firmenintranet oder ähnlichem), auf der Interessenten ihre Teilnahme bekunden und eigene Session-Vorschläge veröffentlichen können. So sehen alle im Unternehmen, wer mitmacht und was an Inhalten „im Rennen“ ist. Das erhöht deutlich die Motivation mitzumachen. Und wie immer hilft die aktive Unterstützung bzw. das Vormachen seitens der Führungsebene 😉  

Corporate Barcamp Praxistipps
Jeder kann eine Session anbieten – Foto: Benja Weller

3. Was ist die Rolle des Moderators?

Als Moderator eines Corporate BarCamps hast Du viele Aufgaben: Du bist für die Einhaltung der zeitlichen Vorgaben verantwortlich; kontrollierst zu Beginn, dass die Sessionräume mit Arbeitsmaterial ausgestattet sind; moderierst die Agendaplanung (mehr dazu im nächsten Punkt), etc.  Die wichtigste Haltung für Deine Rolle ist jedoch die des aufmerksamen und unaufdringlichen Gastgebers. Immer freundlich und ansprechbar gibst Du den Kollegen und externen Teilnehmern Orientierung durch das Event. Denn die Teilnehmer stehen im Mittelpunkt, sie sind „die Stars“ und Du hilfst Ihnen das Event zu ihrem zu machen. Zudem wird für die meisten das Format neu sein. Wenn ich ein Camp organisiere, laufe ich vorher mindestens einmal durch alle Räume und frage mich dabei Dinge wie: Was nimmt jemand wahr, der das aller erste mal hier her kommt und ein BarCamp erlebt? Habe ich das Gefühl freundlich begrüßt zu werden? Oder erlebe ich die Gänge und Flure als verwinkelt und verwirrend? Wo sind die Toiletten?

Meine Corporate-BarCamp-Praxistipps: Mach es den Teilnehmern von Anfang an so leicht wie möglich, sich wohl zu fühlen. Gehe zu Beginn des Camps umher, schaue wer allein steht und stelle die Leute einander vor. So ensteht auf dem Corporate BarCamp eine Atmosphäre des ‚hier kann ich wirklich mitmachen und mitgestalten.‘

Und noch ein Praxistipp: Achtet auf funktionierende Namensschilder. Ich erlebe es viel zu oft auf Veranstaltungen, dass Namen zu klein geschrieben sind: Oder dass sie auf Umhängeschildern (Lanyards) nur auf der einen Seite stehen. Und natürlich immer genau dann verdreht und somit verdeckt sind, wenn ich mein Gegenüber mit Namen ansprechen will. Also, wenn Ihr Lanyards benutzt, schreibt den Namen immer auf beide Seiten. Macht es Menschen so einfach wie möglich sich persönlich anzureden.

Corporate Barcamp Praxistipps
Jeder kann eine Session anbieten – Foto: Benja Weller

4. Wie motivierst Du die Teilnehmer aktiv mitzumachen?

Eine der häufigsten Fragen, die ich bei der Vorbereitung von Corporate BarCamps von Unternehmensvertretern gestellt bekomme: Was machen wir nur, wenn bei der Erstellung der Agenda keiner eine Session vorschlägt und die Bühne leer beleibt? Nun, das ist die Bewährungsprobe für Dich als Moderator.

Erster Tipp: ich lasse es einmal vormachen. Dazu habe ich mit einem Kollegen vorab vereinbart, dass er als Freiwilliger auf die Bühne kommt und seine Session ankündigt. Menschen lernen durch nachahmen.

Zweiter Tipp: ich hake hartnäckig nach. Ähnlich wie bei einer Auktion frage ich mehrfach ins Publikum, ob nicht doch noch jemand ein Angebot hat. Menschen brauchen oft Bedenkzeit. Und auf der Bühne vergeht alles gefühlt viel schneller als im Publikum. Daher: lasst Euch nicht aus der Ruhe bringen in so einem Moment.

Dritter Tipp: ich gehe durchs Publikum und spreche Teilnehmer direkt an, ob sie eine konkrete Frage haben, z.B. ‚wie nutze ich Twitter im Unternehmen für die Kommunikation mit Externen – und wer kann mir dabei helfen?‘. Oftmals denken BarCamp-Neulinge, sie müssten für ihre Session einen perfekt ausgearbeiteten Vortrag liefern. Dem entgegne ich: nutzt das Wissen der hier Anwesenden, um Eure wichtigen Fragen zu klären. Denn wer nicht fragt, … .

Für die meisten BarCamp-Neulinge ist dies eine neue Erfahrung: hier kann ich mich nicht einfach zurück lehnen und konsumieren. Viele brauchen von Dir als Moderator schlicht die Erlaubnis mitmachen und mitgestalten zu dürfen. Gib sie den Teilnehmern!

Meine Corporate-BarCamp-Praxistipps: Mach vor der Agendaplanung eine „kommunikative Lockerungsübung“ (neudeutsch: Icebreaker): jeder sucht sich eine Person im Raum, die er noch nicht kennt (reicht oft einfach sich im Plenum umzudrehen) und beide erzählen sich wechselseitig jeweils 2-3 Minuten lang: ‚Warum bin ich heute hier‘ (oder ähnliche Fragen). Wenn das alle gleichzeitig machen, entsteht auf einmal ein lebhaftes Summen wie in einem Bienenstock. So erleben alle: heute wird mal „anders“ miteinander kommuniziert.

Corporate Barcamp Praxistipps
Die Agendaplanung – Foto: Benja Weller

5. Wie hälst Du die Arbeitsdynamik während des Camps am Laufen?

Die Sessions sind vorgestellt, die Agenda steht und die Teilnehmer haben sich in ihren Räumen eingefunden. Euer Corporate BarCamp läuft. Häufig erlebe ich es, dass die erste Session-Runde etwas unrund und holprig beginnt. Gerade BarCamp-Neulinge  realisieren erst nach und nach: dies ist unsere Veranstaltung und wir können sie nach unseren Vorstellungen gestalten.

Was tun als Moderator? Mein Tipp: Laufen lassen. Und dabei stets klar, präsent und ansprechbar sein. Als Moderator bist Du quasi das „ruhende Auge im Zentrum des Sturms“. Sicherlich die Herausforderung bei einer Firmenveranstaltung, wo Professionalität oft mit Perfektion im Prozessablauf gleich gesetzt wird. Doch wenn ein Event zu perfekt ist, kann es von den Teilnehmern nicht mehr gestaltet werden. Genau daran aber merkst Du, dass das Corporate BarCamp „perfekt läuft“ – wenn Du siehst wie die Teilnehmer von Sessionrunde zu Sessionrunde begeistert lernen und das BarCamp freudig zu Ihrem machen. Wenn Teilnehmer so intensiv miteinander reden und diskutieren, dass sie ihre Session gar nicht beenden wollen. Wie oft hab ich schon gehört: „wie, die 45min sind schon rum? Wir haben doch eben erst angefangen …“. So was höre ich gern.

Meine Corporate-BarCamp-Praxistipps: Sorg dafür, dass die vereinbarten Zeiten eingehalten werden. Auch und gerade, wenn es „zu gut“ läuft und keiner mehr aufhören will. Nur so markierst Du Deine Autorität als Moderator. Nutz dafür einen „Silent Gong“. Einfach auf einen großen Zettel „noch 5min“ schreiben und den nach 40min in jede Session stumm reinhalten. Kommt immer gut an.

Corporate Barcamp Praxistipps
Auf geht es zum Abschluss – Foto: Besim Mazhiqi

6. Wie gestaltest Du einen gelungenen Abschluss der Veranstaltung?

Wenn die letzte Sessionrunde zu Ende geht, erlebe ich häufig, dass die Teilnehmer sich überall im Gebäude verteilt haben und reden, reden, reden… Immer mal wieder spüre ich dann die Versuchung ‚lass es einfach so laufen und ausplätschern, sind doch alle glücklich.‘ Mein Rat: tue das niemals! Gerade wenn zum Ende hin die Luft scheinbar raus ist – hol alle zusammen für einen guten Abschluss. Hin und wieder muss ich dafür Leute aus ihren intensiven Gesprächen rausreißen. Wichtiger für ein gelungenes Corporate BarCamp ist aber, dass alle noch Anwesenden auf das Event gemeinsamen zurück schauen und die Ergebnisse der Sessions teilen. Hier bietet sich der „Gallery Walk“ an. Alle schriftlich festgehaltenen Ergebnisse aus den Sessions werden im Plenum ausgestellt und die Teilnehmer können sie sich wie in einer Gallery nach und nach anschauen. Bei jedem „Ausstellungsstück“ steht ein Vertreter der Session und erläutert die Inhalte.

Die Geschäftsführung sollte zudem einen Ausblick geben, wie die Ergebnisse und Impulse des Camps in den kommenden Wochen genutzt werden im Unternehmen. Und ‚Danke‘ sagen für ein tolles Event. Vergiss nie die Kollegen, Gäste und das Orgateam zu feiern, auch wenn Ihr vermutlich zum Schluss ziemlich erschöpft sein werdet. An ein gelungenes Finale erinnert sich jeder noch lange.

Meine Corporate BarCamp Praxistipps: Mit einer großen deutschen Stiftung habe ich zum Abschluss des internen StiftungsCamp einen Marktplatz für künftige Projekte veranstaltet. Jeder Sessiongeber, der sein Thema nach dem Camp weiterführen wollte, konnte dafür unter den Kollegen Mitstreiter werben. Bei den meisten standen bereits mehrere begeisterte Teilnehmer aus seiner Session. Schnell fand sich so eine engagierte Gruppe, die sich der Weiterführung ihrer Ideen über das Camp hinaus auf die Fahnen geschrieben hatte.

7. Wie geht es nach dem Camp weiter?

Das Corporate BarCamp ist zu Ende, Ihr hattet (hoffentlich) eine tolle Veranstaltung mit gutem Feedback der Teilnehmer. Und im besten Fall ist die Geschäftsführung auch zufrieden, wie es gelaufen ist. Und nun? Wenn Du nicht schon zu Beginn einen Plan hattest, was am Ende erreicht werden sollte (siehe oben), dann besteht die Gefahr, das vom BarCamp nicht mehr übrig bleibt als schöne Erinnerungen. Mark Poppenborg hat dies in seinem Blogbeitrag „Wann OpenSpace Veranstaltungen Schaden anrichten“ treffend ausgedrückt: Pseudoverantwortung auf Pseudoevents bringen nur Pseudoergebnisse. Das willst Du sicher nicht.

Meine Corporate BarCamp Praxistipps: Die Dokumentation eines BarCamps ist immer eine Herausforderung. Bei diesem Format stehen Gespräche und der Wissensaustausch zwischen Menschen im Vordergrund. Viel davon findet in den Köpfen der Teilnehmer statt und entzieht sich einer schriftlichen Aufzeichnung. Engagier daher einen professionellen Fotographen, der die Dynamik Eures Camps im Bild festhält. Und natürlich auch alle schriftlichen Ergebnisse aus den Sessions abfotographiert.

Du hast schon mal ein (Corporate) Barcamp moderiert oder an einem teilgenommen? Welche Praxistipps sind Dir in bleibender Erinnerung geblieben? Ich freue mich über Eure Ergänzungen als Kommentar, Tweet oder Post.

Weitere spannende Praxistipps zur Konzeption und Durchführung von Barcamps findest Du hier und hier.

1 Gedanke zu „Praxistipps: So werden Corporate Barcamps ein Erfolg“

  1. Anmerkung zur Verwendung der Community Marke (Namen) „BarCamp“:

    In der BarCamp Community wird immer wieder leidenschaftlich dafür gestritten, die Verwendung des Namen „BarCamp“ durch die Community zu schützen – aktuell etwa hier: http://www.franztoo.de/?p=2390

    Im Kern der Diskussion geht es darum, dass die Teilnahme an einer Veranstaltung, die BarCamp heißt und(!) zu der öffentlich eingeladen wird, nicht primär(!) über den Preis gesteuert werden darf. Eine Veranstaltung, die in ihrem Namen „BarCamp“ verwendet, sollte prinzipiell jedem Interessierten offen stehen. Organisatorische Einschränkungen, etwa durch die Anzahl vorhandener Teilnehmerplätze des Veranstaltungsortes oder die Erhebung einer Unkostenpauschale, sind sind davon ausgenommen.
    Dem stimme ich voll zu.

    Ein Corporate BarCamp kann nun beides sein: öffentlich oder nicht-öffentlich. Das liegt in der Entscheidung des Veranstalters. Wenn es öffentlich ist – und das heißt vor allem öffentlich eingeladen wird – dann sollte auch jeder daran teilnehmen können der will. Andernfalls ist es kein BarCamp und sollte sich auch nicht so nennen.

    Mein Praxistipp hierzu: Nenne Deine Veranstaltung einfach „xyz“Camp, z.B. „KnowHowCamp“ (siehe Punkt 1 in meinem Text). So erfahren Deine potenziellen Teilnehmer direkt was der thematische Schwerpunkt Deines Events ist.

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