High Five #37: von kooperierenden Multi-Orakeln und klatschenden ersten Eindrücken

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High Five

Lesedauer 5 Minuten

Hallo,

beflügelt von Festivalzauber und Konferenzmagie melden wir uns mit dem Motto  “Gutes für Großgruppen”.

Hinter uns liegen unter anderem: die Bereichstagung einer großen Krankenversicherung,  die Führungskräfte-Konferenz des Hamburger Hafenunternehmens HHLA, das New Work Festival Big & Growing, die kooperative Konferenz KOON24 in Darmstadt und der Psychodrama-Kongress in Hamburg.

Dabei haben wir einiges neu- und weiterentwickelt: Das Multi-Orakel und ein Großgruppen-Empathie-Experiment. Einen ausführlichen Artikel zum Multi-Orakel, einem neuen Aufstellungsformat für große Workshops, Konferenzen und Festivals, gibt es im Blog.

Als Facilitator*in selbst facilitiert zu werden, ist immer ein Geschenk. Wir haben von diesen Events eine Container-Ladung an Inspirationen und Impulsen mitgenommen, die auch Teil dieses High Fives sind. Vor allem die KOON24 unserer Freund*innen von quäntchen+glück hat uns sehr berührt und beflügelt. „Die ersten 100 Sekunden“, „Hände hoch“ und „Walk-Name-Clap“ in diesem Newsletter sind davon inspiriert.

Diese vielen Sonnenschein-Momente sollen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass all die Krisen, Kriege und Katastrophen der Gegenwart mit dabei waren. Mögliche Kollapse, also die längerfristigen Ausfälle oder Zusammenbrüche von (Sub)Systemen, sind für uns neu auf die Agenda gerutscht. Hier hat uns vor allem die Position des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching überrascht. Denn im Dunst von Kollaps zeigen sich auch Solidarität, neue Kooperationen und Co-Kreationen. 

Auf bald und alles Gute

Dirk, Jörg & Valentin


Der erste Eindruck im Workshop

1. Die ersten 100 Sekunden in der Moderation

“There is no second chance for a first impression” – das ist uns auch was Moderation und Vorträge anbelangt eigentlich klar. Speaker*innen zu trainieren ist obendrein Teil unserer Lebenspfade. Und dennoch: das Schleifen und Polieren des ersten Eindrucks rutscht uns selbst gerne mal weg. Neulich brachte es uns Keynote-Magier Marcus John Henry Brown in Erinnerung. Und was für Vorträge gilt, kann für Großgruppen-Moderation auch nicht falsch sein. 

Vor einigen Tagen machte uns ein Workshop auf der KOON24 wieder deutlich, wie viel Potenzial in diesen Momenten liegt. Der Session-Geber trat ruhig in den freien Raum. Stand für einige auffallend lange Sekunden still im Zentrum der sitzenden Großgruppe. Sprach dann ruhig seine inspirierende Forschungsfrage ins Mikro. Erneut Stille. Dann wieder ganz ruhig: “Meine Name ist Josef Merk…”. Volle Aufmerksamkeit, starker Beginn. 

Wir haben das dankbar als Erinnerung daran genommen, in großen wie in kleinen Momenten ein wenig mehr Aufmerksamkeit auf die ersten 100 Sekunden zu legen. Das schadet in normalen Workshops übrigens auch nicht. 


Mae Martin Workshop Warmup

2. Die Mae-Martin-Intro für Großgruppen-Workshops

In einer Netflix-Standup-Show betritt Comedian Mae Martin die Bühne und sagt in etwa:

“Wie geht’s euch. Schön, euch zu sehen. (…). Okay, also, wie heißt ihr denn alle so? Okay, Vorstellungsrunde… Ich zähle bis 3, dann ruft ihr alle laut euren Namen. Ah, schön, dass ihr da seid. Ich bin …”

Wir haben’s mit in unsere Großgruppen-Moderationen genommen und nun bereits auf einigen Veranstaltungen auf drei zählend alle um ihre Namen gebeten und/oder ebenfalls auf 3 um ein Adjektiv, wie es ihnen gerade geht oder wie alle gerade so hier ankommen. 

Schön an dem Einstieg ist: alle haben schon mal kollektiv ihre Stimme genutzt und ein paar Lacher gibt es auch. Und manchmal goldene Momente wie kürzlich, als auf die Frage nach der Gefühlslage nur eine einzelne Person laut zu hören war und alle anderen 127 Menschen schwiegen – bevor dann alle gemeinsam in Gelächter ausbrachen.


„Hände hoch!”-Moderation

3. Die „Hände hoch!”-Moderation

Der Raum vibriert, Kleingruppen tuscheln, die Großgruppe raunt und tönt, komplette Unruhe. Und jetzt willst du ungeteilte Aufmerksamkeit für deine nächste Moderation. Was tun? Laut pfeifen? Fahrradhupe oder Megafon? Alles valide Optionen. Aber so richtig elegant kommt die Hände-hoch-Moderation daher.

Wir hatten die vor einiger Zeit schon mal im Newsletter, aber manchmal lohnt ein zweiter Blick. Am besten führst du „Hände-hoch“ gleich zu Beginn einer Veranstaltung ein – das ist super easy: „Wenn ihr seht, dass eine Person den linken Arm ausgestreckt nach oben hält, tut ihr das ebenso. Und mit dem Heben des Arms stellt ihr das Reden ein. Der Arm bleibt oben, bis der ganze Raum schweigt“. Mit einem Arm ist das deutlich komfortabler als mit beiden Armen (wie in der alten Version). Einmal geübt und verinnerlicht bringt dieses Werkzeug binnen Sekunden oft Nadelfallstille selbst in eine große Großgruppe in großen Locations.

Hände-Hoch ist obendrein ein prima Mehrfach-Werkzeug. Weil es so einfach ist, können andere es auch direkt nutzen, zum Beispiel als Session-Geber*innen auf einem Barcamp oder einer Konferenz. Für die Einteilung von Kleingruppen ist es ebenfalls ideal: „Findet euch jetzt in einem Trio zusammen – lasst den linken Arm in der Luft, bis ihr ein Trio gefunden habt“. So siehst du in der Moderationsrolle auch in größeren Gruppen leichter, ob und wo die Zuteilung noch hakt. 

In einer kommenden Veranstaltung probieren wir vielleicht mal aus: „Jetzt lasst den Arm bitte in der Luft, während ich euch sage, was die nächste Aufgabe ist. Nehmt den Arm herunter, sobald euch klar ist, was als Nächstes zu tun ist.“


Workshop-Energizer: Walk-Stop-Clap-Name

4. Energizer für Großgruppen: Walk-Stop-Clap-Name

Tobi hat uns einen schönen Energizer für Großgruppen in Erinnerung gerufen: “Walk-Stop-Clap-Name” (Beispiel-Video). Mit oder ohne Musik flott durchmoderiert: 

  1. Auf Ansage “Walk” und alle laufen los. Auf Ansage “Stop” bleiben alle stehen.
  2. Nach ein paar Runden kommt Stufe zwei: Beide Kommandos werden vertauscht, also: bei “Walk” stehen bleiben, bei “Stop” losgehen. 
  3. Dritte Runde. Walk und Stop bleiben vertauscht, als weitere Kommandos kommen “Clap” (alle klatschen) und ”Name” (alle rufen den Namen einer Person in unmittelbarer Nähe) hinzu.
  4. Im letzten Schritt werden auch noch “Clap” und “Name” vertauscht. Je schneller die Kommandos kommen, desto dynamischer das Chaos. Und wenn am Ende das Kommando “Name” rasant hintereinander kommt, löst sich das Klatschen in einem tosenden Applaus auf. 

Das lässt sich freilich mit zig Varianten aufmotzen: Dance, Jump, Bow, Kneel, Shake…


Ouch, Whoa, Oops: Awareness in Workshops
(Dorothea Tuch / re:publica, CC BY-SA 2.0)

5. Ouch, Whoa, Oops: Awareness nicht nur in Großgruppen

In Clubs, im Stadion, auf Festivals und großen Konzerten gehört es mittlerweile zum guten Ton: ein Awareness-Konzept. Also ein Plan, wie damit umgegangen wird, wenn Grenzen überschritten werden. Und ein Hinweis an Menschen, an wen sie sich richten können, sollte es sexistisch, rassistisch, ausgrenzend oder sonstwie verletzend werden.

Auch im Workshop-Kontext begegnet uns das Konzept vermehrt. Zum Beispiel im wundervollen, co-kreativen, feministischen eeden Hamburg, wo es dazugehört, dass mindestens eine Awareness-Person mitgedacht wird, die im Falle unauffällig und möglichst barrierefrei zur Verfügung steht, wenn etwa eine Teilnehmer*in im Workshop so getriggert wurde, dass eine Anlaufstelle guttut. 

Ebenda stießen wir auch das erste Mal auf das Ouch-Whoa-Oops-Modell. Das ist sozusagen das Modell einer Gruppenübereinkunft, um verbal auf Momente hinzuweisen, in denen rassistisch verletzt wurde. Die Gruppe einigt sich hierbei darauf, Signal-Worte laut auszusprechen. Im verlinkten Dokument und grob übersetzt als Beispiel:

  • „Ouch (Autsch)“ ist dafür, wenn du zeigen möchtest, dass du verletzt wurdest.
  • „Whoa“ ist, wenn du Zeuge von etwas wirst, das eine Art von Unterdrückung oder Entmenschlichung verstärkt, und du möchtest alle darauf aufmerksam machen.    
  • „Oops“ steht für das Eingeständnis, wenn du etwas getan hast, das Schaden verursacht.

Wir haben das so zwar bislang nicht eingesetzt. Aber die Beschäftigung mit Awareness-Konzepten führt allein schon zum Hinterfragen eigener Abläufe, ist eine Bestärkung mindestens für die Tandem-Moderation, inspiriert und hilft als mentale Denkfolie. Auch, weil wir in einer Welt leben, in der es eher mehr als weniger triggernde Themen gibt und geben wird. 


*die kindliche Art und Weise wie ChatGPT verlässlich Schreibfehler in Bilder einbaut ist irgendwie süß.

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