Wie man schon während der Veranstaltung eine Publikation erstellt
Dass es einer Begleitung bzw. Moderation bedarf, um in Workshops oder Events nicht nur zu diskutieren, sondern tatsächlich strukturiert Inhalte zu erarbeiten, ist Euch bekannt. Jedoch steht man bei jedem Format, ob Workshop oder Event, in denen Inhalte und Ergebnisse erzeugt werden, immer wieder vor der Herausforderung: Wie mit den erarbeiteten Ergebnissen umgehen?
Diese Herausforderung sind wir im Rahmen des „Zukunftssymposiums SYNCHRONICITY“ in Berlin angegangen, bei dem ich die Veranstalter – Glockenweiß und minigram – beraten und begleitet habe.
Das Ziel von “SYNCHRONICITY“ war es, innerhalb von zwei Tagen Konzepte für das „Wohnen und Arbeiten im Stadtquartier der Zukunft“ zu entwickeln. Hieran haben 40 interdisziplinäre TeilnehmerInnen mitgewirkt, um Visionen und Konzepte für die Bereiche Architektur, Mobilität, Nachhaltigkeit, Technologie, Außenraum, Nutzungsarten und deren Verknüpfungen zu entwickeln. Die erarbeiteten Ergebnisse sollten an die Berliner Senatsverwaltung und die Berliner Immobilienwirtschaft übergeben werden, damit diese bei zukünftigen Stadtentwicklungsvorhaben genutzt werden können.
Vor diesem Hintergrund haben wir uns intensiv der Workshop-Dokumentation gewidmet und uns das Ziel gesetzt, die Dokumentation nicht nur zeitnah zu erstellen, sondern allen TeilnehmerInnen unmittelbar am Ende der Veranstaltung die Dokumentation zu überreichen. Hierfür haben wir in nahezu Echtzeit eine Publikation erstellt, um das Momentum der Veranstaltung und die vorhandene Aufmerksamkeit für das Thema zu nutzen. In diesem Gastbeitrag möchte ich schildern, wie wir dabei vorgegangen sind.
Herausforderung: Workshop-Dokumentation
Das Ziel des Zukunftssymposiums war es, Fragen zur Gestaltung urbaner Lebens- und Arbeitsräume der nächsten Generation zu behandeln. Diese Ergebnisse sollten festgehalten und zugänglich gemacht werden, damit sie auch von anderen Stadtentwicklungsvorhaben genutzt werden können. Wir haben uns für eine parallel-begleitende Dokumentation der Workshop-Ergebnisse sowie deren Veröffentlichung als Publikation unmittelbar am Ende der Veranstaltung entschieden.
Lösung: Live-Dokumentation und direkte Veröffentlichung
An zwei Tagen fanden insgesamt sechs 90-minütige Workshops statt, von denen jeweils zwei synchron liefen. Jeder Workshop wurde von einem Host — inhaltlicher Experte für eines der Kernthemen Architektur, Mobilität, Nachhaltigkeit, Technologie, Außenraum, Nutzungsarten — geleitet. Für die Dokumentation hatten wir in jedem Workshop jeweils eine Person (Rapporteur), die mit dem schriftlichen Festhalten der Inhalte und der Ergebnisse beauftragt war. Die Ergebnisse wurden direkt in einem Google-Doc dokumentiert, um die Inhalte für die Erstellung der Publikation digital verfügbar zu haben. Zusätzlich gab es ein Graphic Recording von allen Workshops, um die schriftlichen Inhalte ergänzend auch visuell abzubilden. Wir haben einen Fotograf engagiert, der nicht nur atmosphärisch festhielt, wie gearbeitet wurde, sondern zugleich die Graphic Recordings digitalisierte. Um dies alles zusammen zu bringen, hatten wir eine Designerin mit Erfahrung im Bereich Publikationen, insbesondere e.pubs, vor Ort, die alle generierten Inhalte in einer tatsächlichen Publikation zusammen führte.
Herausforderung: Wieviel Struktur vorgeben, wie viel Freiheit lassen?
Neben dem reinen Dokumentationsaufwand lag eine zentrale Herausforderung in der Vorbereitung der Workshops: Auf der einen Seite wollten wir den Hosts und Rapporteuren möglichst hohe Flexibilität geben, damit sie entlang der individuellen Ergebnisse der jeweiligen Workshops dokumentieren können. Andererseits mussten wir eine Grundstruktur entwickeln, um eine lesbare Publikation mit Workshop-Inhalten zu erhalten, die auch für Außenstehende nachvollziehbar sind. Und darüber hinaus benötigte unsere Designerin eine Struktur, in der sie sich gestalterisch bewegen kann.
Doch wie viel Struktur kann man vorgeben, wenn man nur grob weiß, in welche Richtung die Workshops gehen? Wenn man nicht wirklich vorhersehen kann, welche Inhalte erarbeitet werden? Und was kann man tun, um die Art und Weise der Dokumentation zumindest ein Stück weit vorauszusehen bzw. vorzubereiten?
Lösung: Struktur durch Templates, die genug Freiheit lassen
Letztendlich haben wir ein grobes Template entwickelt, um einen losen Rahmen für die Dokumentation zu geben. Zugleich war unsere Botschaft an die Hosts und Rapporteure, diese Struktur einerseits als Orientierung aufzufassen, andererseits den tatsächlichen Inhalten und Ergebnissen der Workshops jedoch Priorität einzuräumen und diese Struktur gegebenenfalls anzupassen oder zu erweitern.
Dieser Aufforderung sind die Hosts und Rapporteure auch gefolgt: Die Grundstruktur von Vision + Herausforderungen + Handlungsanweisungen findet sich in allen sechs Workshop-Dokumentationen. Zugleich hat jeder Text individuelle Zusatzelemente, wie Thesen des Hosts oder spezifische Nutzerprofile. Auf dieser Basis haben wir unmittelbar zum Ende der Veranstaltung zwei Publikationen veröffentlicht: Zum einen eine gedruckte Kurz-Version sowie ein ausführlicheres e.pub.
Auch wenn die Publikation eine wichtige Rolle spielte, mussten wir uns genauso auf die Workshops — in denen die Inhalte ja überhaupt erst entwickelt werden sollten — und deren Vorbereitung konzentrieren.
Herausforderung Diversität
Wie eine Vorbereitung gestalten, die diversen Bedürfnissen unterschiedlicher Workshop-Hosts gerecht werden kann?
Nicht nur die TeilnehmerInnen des Symposiums waren interdisziplinär aufgestellt, auch die Workshop-Hosts kamen aus unterschiedlichen Bereichen, um die Aspekte Wohnen & Arbeiten, Nachhaltigkeit, Außenräume, Baurecht und Mobilität zu beleuchten. Und nicht nur ihre Hintergründe waren sehr unterschiedlich, ebenso die Erfahrungen mit Workshops: Einige Hosts hatten viel Vorwissen und Erfahrung und eine konkrete Vorstellung von ihren Zielen und Herangehensweisen, andere wiederum brauchten eine stärkere Unterstützung bei der Entwicklung ihrer Workshop-Struktur. Und alle Hosts hatten eine unterschiedliche Vorstellung, wie sie ihren Workshop methodisch angehen wollten: Vom Vortrag, über eine Großgruppen-Diskussionen bis hin zu mehreren parallel arbeitenden Gruppen.
Um die Hosts bei der Vorbereitung zu unterstützen, haben wir ihnen Hinweise und Material in Form von Briefings zukommen lassen. Im Hinblick auf die (möglichst einheitlich, gut lesbare) Publikation waren wir hierbei zunächst versucht, alle Hosts in Richtung eines interaktiven (idealerweise nutzer-zentrierten) Workshops zu steuern. Doch hatten wir im Laufe der Vorbereitung den Eindruck, dass diese Art von Workshop nicht zu jedem Host passt. Daher stellen wir uns die Frage: Wie einen Workshop gestalten, der für den Host funktioniert und diesen nicht komplett aus der Komfortzone bringt, andererseits dennoch alle TeilnehmerInnen ausreichend herausfordert und spannende Ergebnisse zu erzeugen vermag?
In einem Treffen vor Ort, ungefähr drei Wochen vor der Veranstaltung, haben wir festgestellt, dass wir mit rein schriftlichen Briefings zur Vorbereitung nicht weiterkommen, sondern einen anderen Weg der Unterstützung bei der Workshop-Vorbereitung wählen müssen.
Lösung: Struktur und individuelle Unterstützung durch Workshop-Rapporteure & -Facilitators
Als zentral stellte sich hierbei die Unterstützung der Rapporteure heraus, die den Workshop-Host nicht nur bei der Dokumentation, sondern darüber hinaus auch bei der Workshop-Vorbereitung unterstützt haben. Diese intensive persönliche Betreuung, in Form von Meetings oder Telefonaten, war deutlich wirksamer als die schriftlichen Briefings und konnte vor allem sehr viel individueller auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Vorhaben der Host eingehen. Im direkten Austausch wurden Inhalte angepasst und die Struktur für den Workshop überarbeitet.
Mittels dieser spontan intensivierten Unterstützung bei der Vorbereitung konnten wir erneut eine Balance aus Struktur und Freiheiten herstellen, indem die Hosts gemeinsam mit „ihrem“ Rapporteur den Workshop entwickeln konnten, der zu ihren Vorstellungen und methodischen Vorerfahrungen passte und zugleich den Aspekt der Dokumentation nicht außer Acht ließ.
Insgesamt war dies ein recht aufwändiges Vorgehen, das sich aus unserer Sicht jedoch gelohnt hat. Hierdurch wurden während des Symposiums in individuellen und methodisch unterschiedlichen Workshops spannende Inhalte erarbeitet, die wir parallel dokumentieren konnten.
Auch der nicht zu unterschätzende Aufwand einer Live-Dokumentation lohnt insofern, dass durch die unmittelbare, und für alle TeilnehmerInnen vor Ort erfahrbare Fertigstellung und Veröffentlichung der Inhalte, das Momentum der Veranstaltung und die in dem Augenblick vorhandene Aufmerksamkeit genutzt wird: Indem man die erarbeiteten und dokumentierten Ergebnisse sofort mitnehmen und sich bereits auf dem Nachhauseweg damit auseinandersetzen kann und nicht erst (wenn überhaupt) Wochen später, wenn schon wieder ganz andere Themen aktuell sind.
Zusammenspiel aus intensiver Vorbereitung und lebendigen Workshops
Die Erarbeitung konkreter Inhalte in Workshops und die Erstellung einer Publikation ist natürlich nur möglich, wenn sich alle TeilnehmerInnen einbringen und gemeinsam an der Erarbeitung mitwirken. Um dies zu erreichen, wollten wir ein Veranstaltungsformat entwickeln, bei dem die TeilnehmerInnen einerseits zwar konkrete Inhalte erarbeiten, zugleich jedoch nicht das Gefühl von Arbeit haben, sondern inspiriert werden und genügend Raum haben, sich wechselseitig kennenzulernen, miteinander auszutauschen und zu verknüpfen.
Um dies zu ermöglichen, haben wir neben den Workshops Elemente in das Format eingebaut, durch die die TeilnehmerInnen, mal mehr und mal weniger angeleitet, miteinander in den Austausch kamen:
Elemente für Partizipation, Vernetzung und Austausch
Um zunächst einen möglichst inspirierenden Einstieg in das Thema und die gemeinsame Arbeit zu finden, sind wir mit einer Keynote von Matthias Horx zum Thema „Zukunft Stadt“ in den ersten Tag gestartet, bevor die ersten Workshops begannen.
Auch bei der Einteilung der Workshops, wollten wir das Format möglichst flexibel halten und ermöglichen, dass alle TeilnehmerInnen spontan ihren Interessen folgen können und nicht vorab entscheiden mussten, an welchem Workshop sie teilnehmen. Diese Aufteilung sollte erst unmittelbar vor den Workshops erfolgen und zwar anhand von kurzen Pitches, in denen die Hosts ihren Workshop vorstellen. Bei diesem Vorgehen waren wir nicht sicher, was uns erwartet: wie werden sich die TeilnehmerInnen aufteilen? Wird es überlaufene Workshops geben und andere, die weniger gut besucht sind? Wie werden die Hosts damit umgehen? Letztendlich ist dabei nichts schief gegangen, ganz im Gegenteil: Alle TeilnehmerInnen haben sich jeweils recht gleichmäßig und organisch auf die Workshops verteilt.
Um die Initiative für Networking und Austausch nicht allein den TeilnehmerInnen zu überlassen, haben wir ein begleitetes Networking als Element in das Format eingebaut. Hierfür haben wir zunächst bei der Ankunft von jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer ein Foto gemacht, diese an einer zentralen Wand gesammelt und durch ein kleines Template ergänzt, durch das die TeilnehmerInnen mehr voneinander erfahren konnten. Auf dieses leicht strukturierte Networking-Element folgte ein informelles Dinner, bei dem sich alle TeilnehmerInnen ganz frei austauschen und neu gemachte Bekanntschaften weiter vertiefen konnte, die Eindrücke vom Tag in entspannter Atmosphäre austauschen konnten.
Diesem sehr freien Austausch haben wir auch am zweiten Tag erneut Platz eingeräumt, indem wir die einstündige Mittagspause um eine weitere Stunde verlängert haben, in der wir verschiedene Räume angeboten haben, in denen die TeilnehmerInnen sich zurückziehen und ausruhen konnten, weiter austauschen oder auf einer anderen Ebene E-Mails und Anrufe erledigen.
Gast-Autorin @clastronautin über die wunderbare Workshop-Live-Dokumentation bei www.synchronicity.berlin Klick um zu TweetenFazit und Zusammenfassung der zentralen Elemente
Zentrale Bestandteile für produktive Workshops mit Live-Dokumentation:
Für spannende & produktive Workshops:
- intensive und flexible Vorbereitung, um auf die Diversität von Workshop-Hosts (unterschiedliche Bedürfnisse und Erfahrungen) einzugehen
- Unterstützung und Struktur durch Workshop-Rapporteure / -Facilitators
- Elemente für Partizipation, Vernetzung und Austausch der TeilnehmerInnen zusätzlich zu den Workshops
Für die Live-Dokumentation:
- Dokumentation in der Vorbereitung permanent mitdenken und einfließen lassen
- Balance aus Struktur und Freiheit (bei Templates, bei der Vorbereitung, bei der Wahl der Workshop-Methode)
- Unterstützung durch Rapporteure, Fotograf, Graphic Recorder und Designerin
Die Live-Dokumentation von Workshops hat viel Potential, bringt allerdings auch einen nicht zu unterschätzenden Aufwand in der Vorbereitung und Durchführung mit sich. Wer das für einen Workshop ausprobieren möchte, muss dies sehr frühzeitig in die Planung und Vorbereitung mit einbeziehen und alle Beteiligten (Hosts, Rapporteure, Facilitator, Designer etc.) koordinieren und ausführlich briefen.
Wer sich das für einen geplanten Workshop nicht vorstellen kann bzw. nicht über die notwendigen Ressourcen verfügt, sollte dennoch nicht erst nach oder gegen Ende eines Workshops über die Dokumentation nachdenken, sondern sie in der Konzeption berücksichtigen: So können in Materialien (z.B. Templates) bereits Aspekte der Dokumentation eingebaut werden, die dann während des Workshops Berücksichtigung finden.
Ich freue mich über Rückmeldungen, Anregungen und Beispiele, wie Ihr bei der Workshop-Dokumentation vorgeht. Wer sich für weitere Methoden und Tools für Experience Designer, Konferenzveranstalter & Workshop-Designer interessiert, kann sich für meinen Newsletter (englisch) eintragen.
Titelbild: © Gregor Fischer