High Five #40: Von alkoholisierten Marker-Begegnungen und system-archetypischen Leadership-Spielen

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High Five

Lesedauer 4 Minuten

Liebe Leute,

wie können wir uns auf schwere Zeiten vorbereiten und handlungsfähig bleiben? Das beschäftigt uns in diesen turbulenten Zeiten immer wieder. Hurrikan Milton sorgt für haushohe Überflutungen, Milliardenschäden und kilometerlange Schlangen von Menschen, die fliehen müssen. Gleichzeitig verschiebt sich überall der politische Diskurs in Richtung Abschottung und Angstmacherei. Ein Vorgeschmack auf Kollaps-Szenarien. Mit spekulativen Katastrophen haben wir uns im Mai im Rahmen des Forschungsprojekts „Das Endspiel in Zukunftsdiskursen“ beschäftigt und mit Hannoveraner Krisen- und Katastrophenverantwortlichen einen Tag Kollaps-Szeniaren simuliert. Auch wenn der Artikel als Teil der Abschlusspublikation noch im Lektorat ist, kann man sich hier für das Abschluss-Event am 23. November anmelden, bei dem wir auch einen Workshop anbieten. 

In dem Zusammenhang beschäftigen wir uns auch stärker mit dem Thema Konflikt, Konflikttransformation und Mediation. Wir interessieren uns auch für Ausbildungen dazu und würden uns sehr über deine Tipps freuen

Viele dieser großen Themen spiegeln sich im Kleinen auch in unserer alltäglichen Strategie-Arbeit, der Organisationsentwicklung und im Community Building mit Auftraggeber*innen wider. Und trotz aller Turbulenzen: auch der Alltag geht weiter und die viele Dinge entwickeln sich zum Guten. 

Passt auf euch auf und seid nett zueinander.
Dirk, Jörg & Valentin


1. Leadership-Spiel: Bringt was Schönes von draußen mit

„Bringt etwas Schönes von draußen mit“ lesen die Tandem-Partnerinnen, die keine Augenbinde tragen, als wir stumm das Flipchart für dieses Leadership-Spiel umdrehen. So simpel die Aufgabe ist, so verschieden, was jetzt passiert. Manche lassen ihren „blinden“ Partner* zurück und stürmen hinaus, um schnell etwas „Schönes“ zu holen, während andere ihre Partnerin* fragen, wie diese geführt werden möchte oder jeden Schritt ansagen – „jetzt drehst du dich um 90 Grad nach links. Jetzt gehst du zwei Schritte…“. 

Am Ende findet sich im Stuhlkreis viel Schönes – Tannenzweige, Hoteldeko, die Wärme von Sonnenstrahlen, ein Stück Schokolade… Wie haben sich die „Blinden“ gefühlt? Woher kam der Zeitrahmen? Inwiefern war das Teamarbeit? Was ist schön? Wo ist draußen? Warum hat fast niemand die Aufgabe weitergegeben…?

Die schöne Übung ist super leichtgewichtig und aktivierend in der Durchführung und bietet gleichzeitig eine breite Fläche, um Führungsverständnis und die Parallelen zur eigenen Organisation zu reflektieren. Grüße gehen an dieser Stelle raus an unseren Netzwerkfreund und „Professor of Leadership and Organizational Behavior“ Niels van Quaquebeke, der uns von diesem Workshop-Spiel bei bei einem Spaziergang erzählte. 


2. Workshop-Marker: mein Stift schreibt schöner als deiner

Workshop-Marker sind ein Kern-Werkzeug von Facilitator*innen und Prozessbegleiter*innen. Dazu hatten wir vor Jahren mal geschrieben. Bei uns gibt es Team Rundspitze und Team Keilspitze. Jede Stiftart macht ein ganz anderes Schriftbild, erfordert andere Schreibstile. Eine weitere wichtige Stellgröße ist die Strichbreite. Hier gibt es oft 3mm (z.B. Neuland FineOne) oder 6mm (z.B. Neuland NoOne, Edding Ecoline 32). Wenn man auf Post-its statt auf Moderationskarten arbeitet, sind 6mm oft zu groß. 3mm sind dagegen zu klein, sprich unleserlich. Diese Lücke füllt der Edding 1255 Calligraphy 5.0. Dieser Workshop-Marker hat nicht nur eine gute Breite. Als Kalligraphie-Stift erlaubt er auch ein besonderes Schriftbild, weil er weder Rund- noch Keilspitze ist. Dieser Marker ist jedoch nur etwas für die eigene Hosentasche. Teilnehmer*innen sind von dem Stift meist irritiert. 


3. Workshops als Orte politischer Begegnungen

Breite alltagspolitische Begegnungen sind rar. Auch wir drei verbringen mehr Zeit mit Gleichgesinnten als mit Menschen, die anders denken, anders sozialisiert sind. In unseren Familien- und Bekanntenkreisen wählt niemand AfD (zum Glück!). Die häufigsten Begegnungen mit Menschen, die politisch ganz anders denken, haben wir in unseren Workshops. Da begegnen uns immer mal wieder Sexismus, Machogehabe, Rassismus und Demokratie-aushöhlende Argumentationsketten. 

Auch wenn das äußerst unangenehm ist, hat es auch etwas Positives: denn im Workshop und während der Pausen und Essenszeiten gibt es Austausch mit Menschen, denen wir sonst eher nicht begegnen. Und das geht den Teilnehmer*innen auch so. So sagte ein Teilnehmer am Morgen nach einer intensiven politischen Diskussion am Vorabend: „Das war die beste Auseinandersetzung zu dem Thema, die ich lange Zeit hatte.“ Dass wir gesellschaftlich mehr Orte breiter alltagspolitischer Begegnungen wie früher in der Dorfkneipe oder beim Fußballverein brauchen, dafür argumentiert das Buch „Demokratie fehlt Begegnung: über Alltagsorte des sozialen Zusammenhalts“, das frisch auf unserem Bücherstapel gelandet ist. 


4. System-Archetypen: Wenn Initiativen fehlschlagen

Ein Kunde von uns hat bereits am Ende des letzten Jahres festgestellt, dass die „Sales-Pipeline“ zu schwach gefüllt ist. Im Zuge der vierteljährlichen Strategie-Updates haben wir diverse Initiativen angestoßen, die bislang alle nicht wirklich zu Besserung führten. Das erinnerte uns an „Fixes that fail“, einen der neun System-Archetypen. In diesem Zusammenhang haben wir diese musterhaften Prozessverläufe noch einmal in Erinnerung gerufen, die Jennifer Kemeny, Michael Goodman und Peter Senge in den 1980er-Jahren auf Basis der Arbeit von Jay Forrester entwickelt haben. Auch System-Archetypen wie „abrutschende Ziele“ oder „Sucht“ begegnen uns immer wieder und es ist sehr hilfreich, diese zu kennen. Wer tiefer eintauchen will, kann das hier tun. 


5. Sucht: Alkoholismus bei Teilnehmer*innen

Dieser eine Workshop-Teilnehmer lähmt die Runde. Er schafft es nicht, sich auf einen längeren Zusammenhang zu konzentrieren. Zieht andere in inhaltsferne Seitengespräche und vieles ins Alberne oder Negative. Er grummelt, krittelt, kichert. Döst zwischendrin weg und trägt inhaltlich wenig bei. Wer etwas Erfahrung mit ähnlich auftretenden Menschen hat, sieht hier einen alkoholkranken Menschen. Wie gehen wir damit im Workshop um? 

Wir haben die Frage kürzlich mit in ein Facilitation-Peer-Treffen genommen. Alle hatten bereits mit ähnlichen Akteuren zu tun. Unsere Ansätze zum Vorgehen gingen auseinander, von “versuchen, das Thema direkt in der Gruppe ans Licht bringen” über “Raum öffnen, damit es ans Licht kommen könnte”. In unseren Kontexten erscheint uns eine direkte Ansprache in der Gruppe meist zu weit weg vom Auftrag. Wir nehmen uns vor, solche Eindrücke noch konsequenter bei den Auftraggebenden anzusprechen. 

Und jetzt beim Darüberschreiben fragen wir uns, ob es noch etwas Hilfreiches gibt, was wir an dieser Stelle empfehlen können. So etwas wie “Mein*e Kolleg*in ist alkoholkrank, was nun?“. Kennt ihr da vielleicht etwas oder habt andere Gedanken zum Thema? Dann meldet euch gerne bei uns.


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