High Five #39: Von verrückten Tee-Party-Einladungen und gewürfelten Lego-Kaskaden

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High Five

Lesedauer 5 Minuten

Liebe Leute,

“Increasingly, the world seems on the brink of collapse. What if there are people working on a solution, but we’ve just not been paying attention?”, so heißt es im Text zum Film “Purpose” von unserem Netzwerkbekannten Martin Oetting.

Das inspiriert uns schon vor dem Schauen – und ist Grund für diesen Newslettereinstieg. Denn bei all dem Getöse in der Welt und im eigenen Kopf versuchen wir immer wieder nicht zu sehr auf alles Negative zu schauen, sondern auf Mutmachendes. Dazu gehört auch, immer wieder zu hinterfragen, was gerade wirklich wichtig ist, und zu versuchen, die eigene Aufmerksamkeit und die anderer zu den wichtigen Themen zu lenken. Das ist eine Sache, die wir alle können. Zum Beispiel so: ihr verhelft dem Film mit euren Kontakten zu Vorführungen. Klickt doch mal hier auf die Purpose-Website oder schaut den Trailer

Danke für eure Aufmerksamkeit! Wir machen weiter mit fünf Inspirationen rund um Workshops – und versuchen uns an die Gleichzeitigkeit von Polykrise, Jobs, Leben, Alltag, Aktivismus(chen) und sonstwas zu gewöhnen – ohne das eine gegen das andere auszuspielen oder den Kopf in den Sand zu stecken.

Mit Zuversicht und besten Grüßen

Dirk, Jörg & Valentin


1. Workshop-Einladung: was wichtiger ist als die Agenda

Fast immer bitten Auftraggeber*innen um eine Agenda, die sie vorab an Teilnehmer*innen geben können. Da wir solch eine Agenda meist bewusst vage halten, haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, für den Workshop oder das Großgruppen-Event eine kurze Ankündigung zu schreiben. Darin formulieren wir für die Auftraggeber*innen noch einmal knapp Anlass und Ziel der Veranstaltung und geben einige Hinweise auf die Art und Weise des gemeinsamen Arbeitens.

Wie im Workshop auch richten wir den Blick nicht nur auf den Inhalt (was?), sondern auch auf das Wie und Warum. Das reduziert das Unsicherheitsgefühl gerade bei Gruppen mit wenig Workshop-Erfahrung. Wenn dieser Text sitzt, kann die Kurzagenda ruhig etwas vage bleiben. Neu ist so ein kurzer Klappentext für uns nicht, aber in der letzten Zeit haben wir erneut die Erfahrung gemacht, wie wichtig diese “Anmoderation” ist. 


2. Cynefin Lego Spiel: auf den Kontext kommt es an

Ein Strategie-Meeting haben wir kürzlich mit dem Cynefin Lego Game von agile42 eröffnet. Die Geschäftsleitung steht vor diversen Umbrüchen und Übergängen. Fusion, Geschäftsführungsnachfolge, Erschließung eines neuen Geschäftsfelds und so einiges mehr. Über das Spiel haben wir das Cynefin-Framework eingeführt und ihnen ein Raster an die Hand gegeben, welche Themen gerade in welchem Kontext stattfinden und was sich daraus für Entscheidungs- und Handlungslogiken ableiten lassen. Welche Aspekte bei welchem Thema sind einfach, kompliziert, komplex oder chaotisch? 

Das Spiel basiert auf vier Runden – für jeden der vier Kontexte müssen die Teams eine Aufgabe mit Lego erfüllen. Ursprünglich müssen einzelne Personen während der komplexen und chaotischen Spielrunden zwischen den Teams wechseln. Wir haben das Spiel so abgewandelt, dass auch ein Team allein spielen konnte. Dafür haben wir dann wahllos wechselnden Personen die Augen verbunden, dem Team das Modell geklaut, den Tisch weggetragen oder sogar das gesamte Lego vom Tisch gekippt. Wurde anfangs noch gelacht und gewitzelt, kochten in der chaotischen Phase dann auch die Emotionen über. Frust und Wut entstanden. Aber diese Erfahrungen sind wesentlicher Bestandteil einer chaotischen Phase. Hilfreich für die Ein-Team-Variante waren auch die Hinweise zu den Chaos-Monkeys aus der Cynefin-Tangram-Variante von Julia Dellnitz und Co.


3. Barnga: huch, welche Regeln gelten hier?

Spiele sind eine gute Gelegenheit, das Miteinander sichtbar und besprechbar zu machen. Bei dem Würfelspiel-Klassiker Barnga geht es darum, welche Regeln gelten, wie man mit Unsicherheit umgeht, wie es ist, neu dazuzukommen und vieles mehr. Teams spielen schweigend kurze Würfelspiele. Mal wechselt den Tisch, wer verliert, mal, wer gewinnt. Blöd nur, dass an jedem Tisch andere Regeln gelten und niemand reden darf.

Wir haben dieses Spiel kürzlich auf der Budgettagung eines stark dezentral organisierten Unternehmens gespielt. Plötzlich wurde sehr sichtbar: egal, was passiert, in dieser Gruppe gilt immer die ursprüngliche Tischregel. Wer neu dazukommt, muss sich anpassen. Das war sehr eindrucksvoll, da in dieser Runde erstmals zentrale Player neu dabei waren. 

Das Spiel existiert in einigen Varianten und hat seinen Ursprung in der interkulturellen Jugendarbeit unter dem Namen Barnga. Wir sind durch Markus Schönell und die LinkedIn-Gruppe Rollenspiel & Facilitation kürzlich darauf aufmerksam geworden.


4. Mad Tea Party Soziodrama: Speed-Dating mit Rollen

Wir begleiten den Data-Science-Spezialisten Statsoft seit einer Weile bei der Neuausrichtung. Im Zuge einer Customer Excellence Initiative hat das Team Kundeninterviews geführt, die wir im Zuge unseres vierteljährlichen Strategie-Updates verarbeitet haben. Dafür haben wir die Teammitglieder in die Rollen der Interviewpartner*innen schlüpfen und in drei Runden kurz miteinander sprechen lassen. Anschließend ging es darum, welche der Rollen Potenzial für zukünftiges Geschäft bieten. Diese kurze, kraftvolle Intervention hat viel im Team angestoßen. 

Methodisch war es zunächst eine Kombination aus Mad Tea Party (Liberating Structures in Development) und Rollengesprächen (Soziodrama) sowie eine soziometrische Arbeit mit Rollen wie Christoph Buckel und Uwe Reineck sie in diesem tollen Artikel beschreiben. Gerade die Kombination von Liberating Structures mit Soziodrama erscheint uns spannend –  das wollen wir gerne vertiefen.


5. Kaskadengespräche: funky Flurfunkfunken

In Workshops ist es häufig hilfreich, zunächst den Blick zu weiten und aus einer höheren Perspektive auf das Thema zu schauen. Die Kaskaden-Szenen sind dafür ein schnelles und gutes Werkzeug. 

In drei Runden führen jeweils zwei Personen in einer Rolle ein kurzes, zwangloses Gespräch (z.B. in einer Bar). Das jeweilige Gespräch wird dabei von zwei Personen aus einem angrenzenden Kontext mitgehört und es wird über das Gehörte gesprochen. 

Ein Beispiel: in Vorbereitung eines Townhall-Meetings des neuen globalen CEO an einem Standort geht es um die neue Unternehmensstrategie. „Unser Ausgangs-Setting: zwei Mitarbeiter*innen unterhalten sich an der Bar über die neue Strategie.“ Nach ein paar Minuten unterbrechen wir die Szene und führen die nächste Kaskade ein. „Zwei Führungskräfte des Unternehmens haben das Gespräch zufällig mitbekommen und unterhalten sich über das Gehörte.“ Nach ein paar Minuten brechen wir erneut ab und führen die letzte Runde ein: „zwei Management-Consultants haben diesen beiden Gesprächen gespannt gelauscht und reden nun darüber.“ Anschließend lassen wir die Gruppe reflektieren. Zum Beispiel über die Liberating Structure “What, So What, Now What”.

Die Kunst bei diesen Kaskaden-Szenen liegt in der Auswahl guter komplementärer Perspektiven. Danke an unsere Netzwerkpartnerin Marion Groneberg, dieses Tool wieder in Erinnerung zu rufen.

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