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Warum ich niemals nie nur der Moderator bin

Moderator-Selbstverstaendnis

Ein Blog über gute Moderation braucht ein Selbstverständnis von guter Moderation. In sieben Punkte möchte ich dieses  Selbstverständnis skizzieren. Als guter Moderator bewege ich mich  an der Schnittstelle von Mediation, Beratung und Unterhaltung. Ich muss die Interessen der Teilnehmenden berücksichtigen, mit Konflikten umgehen können, ein Vorhaben voranbringen, die Wahl der richtigen Methoden, Materialien und Interaktionen treffen und natürlich die Teilnehmer zum Lachen zu bringen.

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit einmal selbst „moderiert“ zu werden. Mit den Bewohnern unserer Hausgemeinschaft haben wir uns ein Wochenende zurückgezogen, um Zeit für Grundlegendes zu haben. Der Moderator eröffnete mit den Worten:

„Ich bin nur der Moderator. Ich habe hier keine Interessen. Es geht nicht um mich, sondern um Euch. Ich helfe Euch nur, Eure Gespräche zu strukturieren.“ Mich hat diese sehr zurückgenommene Art stark irritiert. In wesentlichen Aspekten entspricht dies nicht meinem Selbstverständnis. Da selbst bei Wikipedia die Informationslage dünn ist, nehme ich diese Erfahrung zum Anlass über das Selbstverständnis von uns Moderatoren zu schreiben.

1. Als Moderatoren haben wir einen Auftrag – immer!

Wir haben Auftraggeber, die uns beauftragen, gute Kommunikation unter den Teilnehmern zu organisieren. Gleichzeitig wollen diese Auftraggeber, dass wir ihr Vorhaben voranbringen. Auch, wenn wir dieses Erreichen gar nicht versprechen können, ist dies die Erwartung an uns. Unsere Interessen sind es daher, dass die Gruppe gut miteinander kommuniziert und zugleich das Vorhaben vorangebracht wird. Konkret heißt das, dass ausreichend Zeit für die Diskussion und Konkretisierung der wichtigen Themen besteht und alle Teilnehmer ausreichend gehört werden, aber auch dass dem Reden Taten folgen. Als Moderatoren sind wir damit „Führungskraft auf Zeit.“

2. Wir arbeiten mit und an den Komfortzonen der Teilnehmer

Komfortzonen sind eine Mischung aus Interessen, Motivationen und Überzeugungen. In der Regel haben die Teilnehmer einer moderierten Session deutlich unterschiedliche Komfortzonen – denn sonst bräuchten sie keinen Moderator. Um die Komfortzonen der Teilnehmer während der Moderation zu kennen, führen wir idealerweise im Vorfeld einer Moderation Interviews mit den wesentlichen Beteiligten. Das hilft einem, die zentralen Knackpunkte und Hintergründe der Diskussion zu verstehen. Die Interessen, Motivationen, und Überzeugungen der Teilnehmer zu kennen hilft, die richtige Dramaturgie und Agenda zu entwickeln, zu entscheiden, wann man die Teilnehmer öffnen sollte und potentielle Konflikte zur Klärung zu bringen oder auch gezielt zu umschiffen.

3. Wir gehen vorsichtig mit sensiblen Informationen um

Wer in die Interessen, Überzeugungen und Meinungen der Teilnehmer eintauchen will, braucht das Vertrauen der Personen. Die Interviewten müssen die Sicherheit haben, dass kritische Informationen nicht weitergegeben werden. Das Dilemma: Einerseits will man das Wissen nutzen, um das Team voranzubringen. Andererseits darf man die Einzelpersonen nicht bloßstellen. Je sensibler die erhaltene Information, desto vorsichtiger muss man diese verwenden, anonymisieren und verpacken.

4. Als Moderatoren bestimmen wir nicht nur das Was, sondern auch das Wie der Gespräche

Als Moderatoren entwickeln wir eine Agenda und legen damit eine Vielzahl von Schwerpunkten. Diese Agenda berücksichtigt, was die identifizierten Knackpunkte sind, definiert, wo der Schwerpunkt der gemeinsamen Diskussion liegen muss, welche Punkte angerissen und welche vertieft werden. Zudem achten wir auf einen guten Ablauf und eine gute Strukturierung des Tages. Von der Öffnung zu Beginn bis zu den nächsten Schritten am Schluss, von der Begrüßung über die Aktivierung nach dem Suppenkoma bis zur Kaffeepause. In der Agendagestaltung wechseln wir zwischen schnellen, kleinen Interaktionen und breiten, tiefgehenden Diskussionen. Wir variieren zwischen Einzel-, Team- und gemeinsamer Arbeit. Entsprechend wählen wir die Methoden und Materialien aus. Am Ende läuft natürlich selten alles nach Plan oder Plan B und man muss situationsspezifisch nachjustieren oder sogar live die Agenda über den Haufen werfen und improvisierend vorankommen.

5. Wir nehmen uns Zeit für die nächsten Schritte

Jeder Workshop verfolgt einen Zweck, der erreicht werden soll: Insbesondere in Strategieworkshops sollen zum Ende Ziele und Maßnahmen zur Umsetzung definiert werden. Bei vielen Workshops bleibt zu wenig Zeit für die Konkretisierung der nächsten Schritte. Denn es gehört mehr dazu als ein Wer macht Was mit Wem bis Wann und welche Ressourcen braucht es dafür. Zusätzliche Aufgaben gehen z.B. immer zu Lasten anderer Aktivitäten. Es gilt, die wichtigsten Barrieren vorwegzunehmen und mögliche Lösungswege zu entwickeln. Zudem sollten sich die Teilnehmer einigen, wie sie gegenüber anderen von dem Workshop sprechen wollen.

6. Wir geben Empfehlungen – wenn es sein muss

In aller Regel wird man als externer Moderator auch engagiert, um einen Blick von Außen beizusteuern. Es wird sehr häufig von uns verlangt, eine Empfehlung auszusprechen oder gefragt, wie andere Unternehmen mit so etwas umgehen. Natürlich beinhaltet der Ablauf des Tages und die Wahl der Teilnehmer schon viele Empfehlungen. Aber in der Regel reicht dies nicht aus. Hier ist man im Dilemma: einerseits fehlt einem fast immer die Expertise für ein solches Urteil. Andererseits enttäuscht man, wenn nichts rät oder nur Allgemeinplätze von sich gibt. Von daher ist unsere Faustformel: so wenig wie nötig, so konkret wie möglich. Häufig reicht es, wenn man die Ergebnisse am Ende selbst noch einmal bewertet und begründet zusammenfasst, was man etwa gut findet, was man vermisst und was die Teilnehmer bei der weiteren Bearbeitung des Vorhabens nicht außer Acht lassen sollten.

7. Als Moderatoren haben wir die Pflicht zu unterhalten

Bei aller Seriösität und Gewichtigkeit ist es unsere Aufgabe, darauf zu achten, dass die Teilnehmer aufmerksam, motiviert und wach bleiben – und zwar den ganzen Tag. Dass die Teilnehmer bei aller Ernsthaftigkeit auch lachen, inspiriert und überrascht werden. Ansatzpunkte hierfür sind u.a. besondere Locations, Objekte im Raum, Erlebnis aktivierende Spielchen, Goodie Bags, Materialien, Exkursionen, Gäste, Gruppenfotos etc. Allzu häufig erscheint dieser Aspekt eher als Kür, denn als Pflicht. Gerät man in Zeitnot wird hier voreilig gekürzt. Aber die Erfahrung zeigt, dass es diese Elemente sind, die zum Gefühl eines herausragenden Workshops am meisten beitragen. Aber die Erfahrung zeigt auch, dass dies besonders schwierg ist.

Das sind meine sieben Aspekte für eine gute Moderation. Mich interessiert, welche Aspekte Ihr ergänzen würdet? Und außerdem:

Was sind Eure Lieblinge, um die Teilnehmer bei Laune zu halten?

Jörg Jelden

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