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Wie Du mit Störern in Workshops umgehen kannst

Mit Störern in Workshops umgehen

Vor einigen Jahren habe ich einmal eine Präsentation vor einer Gruppe von Ingenieuren aus einem Elektronikkonzern gehalten. 2-3 Personen haben mir systemastisch jedes Chart und jede Aussage auseinandergenommen. In der Mittagspause hat mich mein Ansprechpartner zur Seite genommen und sagte „Alles gut, Jörg. Das sind Ingenieure. Die nehmen alles bis zur kleinsten Schraube auseinander, um alles zu verstehen.“ Seither freue ich mich über solche aktive Formen der Aneignung. Aber es gibt auch die unangenehmen, wenig produktiven Störer. In diesem Beitrag stelle ich sieben Typen vor. Vier sind gefährlich, einer harmlos und zwei sind sogar nützliche Querulanten. Zum Schluss findest Du noch meine 13 Faustformeln wie Du mit Störern in Workshops umgehen kannst. Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade #Kritikprofis vom PR-Doktor Dr. Kerstin Hoffmann

Die Angst vor vermeintlichen Störern in Workshops ist weit verbreitet. Es ist dagegen jedoch selten, dass man wirkliche Störer auch in Workshops antrifft. Die Angst ist vor allem dann ausgeprägt, wenn die Moderatoren jung sind, wenig Erfahrung haben, das Hierarchiegefälle zu den Teilnehmern groß ist. In der Regel bedeutet die Anwesenheit von Störern, dass man Haltung zeigen, stärker improvisieren und auf die Besonderheit der Gruppe eingehen muss. In jedem Fall ist die Frage, wie man gut mit Störern in Workshops umgehen kann, ein Klassiker. Richtig mit Störern umzugehen, ist auch Teil unserer halbtägigen Workshop-Workshops, die wir von Zeit zu Zeit durchführen. Der nächste wird Ende März in Berlin stattfinden. Wenn Du Dich vormerken lassen willst, schreibe mir gern eine Email.  Aber nun zu  meinen Beobachtungen und Empfehlungen:

Sind Störer aktiv, muss der Moderator Haltung zeigen, stärker improvisieren und auf die Gruppe eingehen. Klick um zu Tweeten

Störer Nr. 1: Die Verteidiger des Status Quo

Wer nicht will, dass sich im Unternehmen etwas tut oder fürchtet, dass sich Themen für ihn oder sie negativ auswirken, kann in einem Workshop versucht sein, querzuschießen. Ob Agendakritik, Problematisieren der Workshopziele, der Frageformulierungen oder der Teilnehmerauswahl – wer etwas kritisieren möchte, findet etwas. Genauso gut kann es passieren, dass es sich inhaltlich entlädt und es große Diskussionen gibt, die sich nicht einfangen lassen. Teilweise geht dies einher mit einer cholerischen Grundader dieser Personen, die bei vielen Teilnehmern schon im Vorfeld Angst vor der Auseinandersetzung schürt. Das Schöne daran ist: Diese Störer kannst Du perfekt vorab identifizieren. Häufig kann Dir der Auftraggeber genau sagen, wer die kritischen Personen voraussichtlich sind. In Vorgesprächen kann man dann sondieren, was deren Positionen und Überzeugungen sind. In der Entwicklung der Fragen und des Workshop-Skripts kannst Du die vorhandenen Konflikte systematisch kanalisieren und darüber verhindern, dass Dir der Workshop ganz um die Ohren fliegt. Das ist nicht nur für Dich als Moderator gut, sondern auch für den Störer. Denn wer stört, muss sein wahres Gesicht zeigen und macht sich angreifbar. Diese Blöße geben sich allerdings nur selten Personen in einem halböffentlichen Setting wie einem Workshop.

Störer Nr. 2: Die Saboteure

Wenn Störer Nr. 1 mit gezogenem Schwert für seine Sache kämpft, so kann man sich Störer Nr. 2 eher als leise Agenten im Untergrund oder Guerillakämpfer vorstellen. Durch Seitenbemerkungen wie „Das funktioniert doch eh nicht.“ „Das haben wir schon mal gemacht.“ „Ich war ja schon immer dagegen.“ untergraben diese Personen systematisch das Vertrauen unter den Workshop-Teilnehmern und in den Moderator. Sie entwaffnen die Mutigen und versuchen ebenfalls ein positives Vorankommen zu verhindern oder die Ergebnisse möglichst klein zu halten. Als Moderator versuche ich z.B. bei den Workshop-Vereinbarungen Killer-Sätze wie „Das bringt doch eh nichts“ auszuschließen oder zu sanktionieren. Kommen sie dennoch, kann ich auf die Workshop-Vereinbarungen verweisen und gegensteuern. Die Schwierigkeit ist hier jedoch zu unterscheiden, inwiefern es sich um eine wichtige Konkretisierung oder um eine destruktive Intervention handelt.

Manchmal läuft es aber auch noch subtiler: Pausenzeiten werden nicht eingehalten, es wird permanent getuschelt oder gewitzelt oder jede individuelle Aktivität wird besonders langsam durchgeführt (Punkten, in Kleingruppen gehen, …). Diese Saboteure haben häufig noch irgendeine Rechnung offen oder sind stark demotiviert. Ich habe das z.B. in einem Team-Workshop erlebt. Eine Person hatte im Rahmen einer Restrukturierung ihren Gestaltungsspielraum verloren. Viele waren durch eine vorangegangene Entlassung und Umstrukturierungen demotiviert und so setzte sich langsam aber sicher eine Kettenreaktion in Gang, die den Workshop zu zermalmen drohte. Leider habe ich die Entwicklung sehr spät bemerkt und konnte dann kaum noch etwas ändern (#Lehrgeld). Beim nächsten Mal werde ich definitiv die Beteiligten anzusprechen, ein Machtwort zu sprechen und ggf. auch den Workshop vorzeitig zu beenden.  

Störer Nr. 3: Die Multi-Tasker

Die Multi-Tasker sind die scheinbar harmlosen Verwandten der Saboteure. Im Gegensatz zu den Saboteuren ist der Sabotage-Akt aber nicht Ziel, sondern ein akzeptierter Nebeneffekt. Denn die Multi-Tasker wollen parallel zum Workshop andere Dinge erledigen. Diese Störer strafen die Gruppe, in dem sie ihr das Wesentlichste entziehen: gemeinsame Aufmerksamkeit und Konzentration. In der milden Form verlässt ein besagter Störer immer mal wieder den Raum, um zu telefonieren. In der gesteigerten Form checkt er in regelmäßigen Abständen Emails auf dem Smartphone und in der Extremform arbeitet er mit geöffnetem Laptop parallel an anderen Themen. Durch dieses Verhalten signalisiert er allen anderen: Es gibt wichtigere und dringendere Themen als diese hier. Nicht selten habe ich dann Kettenreaktionen erlebt. Plötzlich checken auch 2-3 weitere regelmäßig Emails oder platzieren ihre Laptops auf dem Tisch. Neben der Konzentration ist häufig auch kein guter Kontakt da. Wenn diskutiert wird, schaut diese Person nicht auf, man kann nur sporadisch Blickkontakt herstellen und darüber Themen adressieren. Wenn mir Multi-Tasker begegnen, hilft es meist, sehr früh einzugreifen, die Teilnehmer zur Seite zu nehmen und sie auf den Effekt seines Handelns hinzuweisen. Ändert sich dann trotzdem nichts, kann man die Thematik an die Gruppe zurückgeben und Gruppendruck gegen die Multi-Tasker aufbauen. 

Störer Nr. 4: Die Selbstdarsteller

Diese Störer haben per se keine bösen Absichten. Im Gegenteil. Sie meinen der Gruppe helfen zu wollen und einzigartige Expertise oder Erfahrungen zu besitzen. Diese Störer fallen vor allem durch Monologisieren auf. Auch diese „Störung“ kannst Du mit Verweis auf eine Workshop-Vereinbarung wie „Sich kurz fassen. Pro Beitrag nur 30 Sekunden“ begegnen. Meist sind es jedoch pathologische Fälle und der Verweis auf die Regel bringt relativ wenig. Ich versuche, solche Menschen in ihrem Redefluss zu bremsen. Z.B. durch einen Einwurf wie „OK. Was schreibe ich jetzt auf die Karte? Was ist Ihre zentrale Aussage?“ Zudem beginne ich, Personen gezielt anzusprechen, die sich nicht so intensiv beteiligen. Wenn ich im Vorfeld schon weiss, dass 1-2 Selbstdarsteller an Bord sind, versuche ich Workshops stärker über individuelle Kartenfragen oder Gruppenarbeiten zu strukturieren. In der Hoffnung diesen Personen die Bühne zu nehmen, ohne auf ihre Expertise verzichten zu müssen.

Störer Nr. 5: Die Abgehängten

Wer sich immer weniger in den Diskurs einbringt, oder grundsätzlich wenig beiträgt, konterkariert den Workshop-Gedanken. Gedanken und Meinungen werden zurückgehalten. Die Personen warten darauf, dass alles möglichst schnell vorübergeht. Auch hier wird gern das Smartphone gezückt oder auf die Uhr geschaut. Manchmal müssen solche Personen mit Verweis auf andere Termine früher gehen. Diese Personen sind weniger  Störer, denn solche, die man unterwegs verliert. Das lässt sich leider nicht immer verhindern, um ein Thema voranzubringen. Ideal ist es aber trotzdem nicht. Als Moderator kannst Du solche Personen ansprechen und versuchen sie zu re-involvieren (“Und, was sagen Sie dazu?”). Es hilft auch, mehr Varianz in die Bearbeitungsform zu bringen und enge Zeitfenster für Diskussionseinheiten zu setzen. .

Störer Nr. 6: Die Konkretisierer

Es gibt aber durchaus auch Problematisierer, die man sich wünscht und die man begrüßen sollte, auch wenn sie es einem mitunter schwer machen können. Dazu zählen in jedem Fall die Konkretisierer. Sie hinterfragen laufend neue Ideen und zeigen denjenigen, die Neues in den Diskurs bringen auf, was noch nicht zu Ende gedacht ist. Statt Aussagen wie „Das funktioniert doch eh nicht.“ stellen sie Fragen wie „Wieso soll XY denn funktionieren? Wir haben bislang doch die Erfahrung gemacht, dass…“ Damit zwingen sie die Ideengeber und andere dazu, den Gedanken zu präzisieren und zu konkretisieren. Manchmal muss man diese Personen zunächst etwas auf Distanz halten, damit nicht zu früh eine Konkretisierung gefordert wird. Grundsätzlich sind sie jedoch keine Störer, sondern ein Segen. Dennoch solltest Du sie im Blick behalten, denn sonst zerschießen sie Dir leicht die Agenda und das Zeitmanagement. Da wir in der Regel versuchen, schriftlich zu moderieren, markieren wir kritische Karten und Post-Its in Workshops mit einem Blitz und nehmen dann auch die Diskussion dazu auf. Von daher ist der Blitz auch das Aufmachersymbol dieses Beitrags.

Störer Nr. 7: Die Ent-Tabuisierer

Dieser Typ Störer stört weniger den Workshop als die Komfortzonen der Teilnehmer. Der Ent-Tabuisierer nutzt die Gelegenheit eines Workshops, vor versammelter Mannschaft ein Tabu zu brechen, eine liebgewonnene Sichtweise vom Thron zu stoßen oder neue Denkmodelle einzuführen. Dies führt teilweise dazu, dass die Zeitplanung aus dem Ruder läuft, wenn man nicht darauf vorbereitet ist. Grundsätzlich ist jedoch auch dieser Störer-Typ ein Segen, denn er bringt die Gruppe voran und hilft ihr, eine bessere Wahrnehmung zu erlangen und mehr Lösungsoptionen in Betracht zu ziehen. Bei diesem Störer-Typ gilt: Störungen haben Vorrang.

Unterschwellig Offensichtlich
Funktional Die Abgehängten Konkretisierer
Ent-Tabuisierer
Disfunktional Saboteur
Multi-Tasker
Selbstdarsteller
Verteidiger des Status-Quo

Mit Störern in Workshops umgehen:
Meine 13 Faustformeln.

  1. Sondiere im Vorfeld, wer Störer sein könnten und führe mit potentiellen Störern Vorabgespräche
  2. Nimm mögliche Störquellen in die Workshop-Vereinbarungen auf und verweise wenn nötig darauf
  3. Nimm die Störer zur Seite und erklär ihnen, welche Konsequenzen ihr Handeln gerade hat
  4. Sprich es vor allen an: „Ich habe den Eindruck dass wir gerade …“
  5. Entzieh ihnen die Bühnen und arbeite stärker in Einzel- oder Kleingruppen
  6. Involviere andere stärker und überlass den Störern nicht das Feld
  7. Weise den Störern eine andere Rolle zu: “Sie sind jetzt mal für 10 Minuten in der Rolle des stillen Beobachters.”
  8. Suche Verbündete unter den anderen Workshop-Teilnehmern und frag die Gruppe, wie sie zu Verhalten X steht und diskutiert Euer weiteres Vorgehen.
  9. Reduziere durch klare Anweisungen und Aufgabenstellungen den Aktionsradius der Störer
  10. Sprich ein Macht-Wort: Verweis ggf. auch die betreffenden Teilnehmer des Raumes
  11. Geh selbst und beende den Workshop vorzeitig. So müssen die Störer sich das Scheitern zurechnen lassen. #UltimaRatio
  12. Bleib ruhig, freundlich und sachlich.
  13. Lass Dich auf keinen Fall  verunsichern. 
>Sie übernehmen jetzt für 10 Minuten mal die Rolle des Beobachters.< = Und machen eine Redepause. Klick um zu Tweeten

Weitere aufschlussreiche Hinweise wie Du mit Störern in Workshops umgehen kannst, findest Du hier, hier und hier.

* Für das Titelbild habe ich übrigens erste Lettering-Gehversuche gemacht. Ich kann dazu das PDF Letterattack von Frau Hölle sehr empfehlen.

Jörg Jelden

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  1. Pingback: Was #Kritikprofis zum Umgang mit Querulanten, Trollen und echten Kritikern raten … - PR-Doktor

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