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Futures Framework

Futures Framework

Unser Tool, um Zukunftserwartungen aufzudecken und zu nutzen

Zukunft hat mich von jeher fasziniert. Wenn ich mich mit Zukunft beschäftige, wird mir immer bewusst, dass andere Entwürfe möglich sind und wie gestaltbar die Welt doch ist. Spannend finde ich außerdem, dass jeder Mensch eine eigene Vorstellung davon hat, was Zukunft ist. Manchmal ist sie schwammig und wenig konkret und nur als Gefühl vorhanden. Manchmal gibt es klare Erwartungen, feste Vorsätze und definierte Wege. Als tiefgehendes und schön geschriebenes Buch kann ich dazu „Die Zukunft“ von Sascha Mamczak empfehlen.

Jede größere Entscheidung und jedes Projekt wird von unseren Zukunftserwartungen geprägt – ob wir das wollen oder nicht. Und gleichzeitig gibt es ganz wenig Verständigung und Austausch über diese inneren Zukunftsbilder und -erwartungen. Ich möchte heute ein Framework vorstellen, dass wir vor einiger Zeit entwickelt haben und in unserer Arbeit nutzen. Damit lassen sich die verschiedenen Zukunftsvorstellungen systematisch auf den Tisch bringen und weiterverarbeiten.

Zurück zu den Zukünften

In meinem vorherigen Berufsleben war ich in der Trend- und Zukunftsforschung tätig. Ich habe entsprechend viel mit Zukunftsthemen zu tun gehabt. Sei es beim Trendbüro, der Kuration des Deutschen Trendtags und der Next Conference, an der Good School, im Rahmen unzähliger Trendstudien, eigener Keynotes oder bei den Think-Tanks, die Dirk und ich initiiert und durchgeführt haben (hier und hier). Die meisten Diskussionen, Studien und Artikel, die mir in dem Zusammenhang begegnet sind, waren dabei extrem einseitig. Entweder wurde das Neue über den Klee gelobt und jegliche Kritik als Einwände ewig Gestriger abgetan. Oder umgekehrt wurden ausschließlich mögliche Schattenseiten betrachtet und alles Neue relativiert oder blockiert. Eine differenzierte Betrachtung gab es fast nie.

Zukunft lässt sich nicht vorhersagen

Prognosen werden von Entscheidern gern wie Fakten behandelt – wenn sie ihnen in den Kram passen. Ansonsten werden sie ignoriert. Philip Tedlock hat in seinem tollen Buch „Superforecasting“ dargelegt, dass sämtliche Experten und Zukunftsforscher nie an dem Gehalt ihrer Prognosen gemessen würden und man die Prognosen genauso gut von Affen durchführen lassen könnte. Er hat stattdessen Schritte für gute Prognosen entwickelt und ein Netzwerk von Superforecastern aufgebaut, die nachweislich besonders gut Entwicklungen bewerten können. In Deutschland gehört z.B. Bruno Jahn zu diesem Superforecaster-Netzwerk. Aber diese Prognosen sind auf den Eintritt besonderer Ereignisse in der näheren Zukunft gerichtet. Für mittelfristige Ausblicke oder um den strategischen Blick zu weiten, eignet sich vor allem die Szenario-Technik. In dem Oxford Scenarios Programme der Said Business School, das ich 2012 mitgemacht habe, wurden Angela Wilkinson und Rafael Ramirez nicht müde darauf hinzuweisen, dass die Hauptfunktion von Szenarien und Zukunftsaussagen darin liegt, anders auf die Gegenwart zu schauen. Szenarien helfen, seine eigenen Zukunftsvorstellungen zu überprüfen, den Blick zu weiten, Strategien robuster zu machen und für alternative Zukunftspfade vorbereitet zu sein. Das Problem: so ein Szenario-Prozess ist aufwändig und in zahlengetriebenen Organisationen schwer zu vermitteln. Wir haben daher eigene Tools wie Pre-Mortem oder den Context Combinator entwickelt, um Zukunftsdenken in Projekten abzubilden, ohne gleich riesige Verfahren dafür aufsetzen zu müssen. Das Futures Framework gehört auch dazu und ist ein bisschen wie Szenario-Planung light.

Die 4 zentralen Perspektiven auf Zukunft und wie sie Dir im Projekt helfen #FuturesFramework Klick um zu Tweeten

Das Futures Framework

Futures Framework Template

Schritt 1: Den Rahmen setzen

Zuallererst musst Du dem wabernden Begriff Zukunft einen Rahmen setzen, die richtige Fragestellung bzw. das richtige Thema formulieren und dann eine Jahreszahl nennen. Die Frage bzw. das Thema steht daher im Zentrum des Frameworks.

Bei dem Zeithorizont gilt: Je näher Du an der Gegenwart bleibst, desto konkreter werden die Ergebnisse. Aber kurzfristig ist nur wenig veränderbar. Je weiter Du den Blick in die Zukunft richtest, desto mehr und grundlegendere Dinge werden veränderbar. Aber die Antworten werden auch abstrakter und diffuser. Ich versuche den Zeitrahmen immer etwas weiter zu setzen, als der Auftraggeber plant. Wenn es also um eine Strategie für die nächsten drei Jahre geht, setze ich den Zeithorizont auf +5 Jahre. Damit kann ich den Blick etwas weiten, und das Projekt bekommt mehr Zukunftskontext.

Futures Framework - Den Rahmen setzen

Schritt 2: Zukunft als Hoffnungen, Wünsche oder Chancen

Zukunft ist immer auch ein Produkt unserer Wünsche und Träume. Getreu dem Motto: “The best way to predict the future, is to invent it.” In der ersten Perspektive auf Zukunft geht es darum zu benennen, worauf sich die Hoffnungen bei den Initiatoren, Teilnehmern oder sonstigen Stakeholdern richten bzw. welche Chancen und Möglichkeiten sie sehen. In diesem Feld sind Menschen besonders vertraut, die andere von einer Idee begeistern müssen (z.B. CEOs und Startup-Gründer) und die äußerst optimistisch in die Zukunft schauen.

Die Arbeitsfrage lautet:
Mit Blick auf das Jahr 20XX:

Was sind Deine Hoffnungen? Welche Chancen siehst Du?

Futures Framework - Hoffnungen, Wünsche, Chancen

Schritt 3: Zukunft als Risiken, Ängste oder Sorgen

Wie die Zukunft gestaltet wird, ist immer auch eine Reaktion auf bestehende Sorgen und Ängste bzw. ein Umgang mit Risiken. Die zweite Perspektive auf Zukunft richtet sich auf die Schattenseite in den Köpfen und Herzen der Beteiligten. Mit diesem Bereich sind vor allem Menschen vertraut, die stark abwägen, den Status quo schätzen und eher Angst vor Veränderungen haben. Solche Zukünfte kommen gern schwarzgemalt als Dystopie daher.

Die Arbeitsfrage lautet:
Mit Blick auf das Jahr 20XX:
Was sind Deine größten Sorgen? Welche Risiken siehst Du?

Futures Framework - Risiken, Sorgen, Ängste

Schritt 4: Zukunft als Erbe der Gegenwart

Die Zukunft, die sich durchsetzen wird, hängt stark von dem Verhalten der etablierten Kräfte in der Gegenwart ab. Häufig wurden oder werden im Zuge eines Projekts gerade wichtige Weichen gestellt, die stark auf den Möglichkeitsraum einwirken. Hier geht es um Themen wie Pfadabhängigkeiten oder “sunken costs”. Wer etwa gerade die komplette IT-Infrastruktur erneuert, wird nicht morgen komplett auf ein neues System wechseln. Selbst, wenn es sinnvoll wäre. Mit diesem Bereich sind vor allem Menschen vertraut, die einen übergeordneten Blick auf das eigene Unternehmen haben. Häufig brauchen die Teilnehmer für Antworten auf diese Fragen mehr Zeit und sie müssen intensiver nachdenken.

Die Arbeitsfrage lautet:
Mit Blick auf das Jahr 20XX:
Was hälst Du für unabwendbar?
Welche heutigen Entscheidungen setzen den Rahmen für die zukünftigen Entwicklungen?

Futures Framework - Erbe der Gegenwart

Schritt 5: Zukunft als Zufall, Fügung oder Katastrophe

Was wann wie kommt, ist immer auch unplanbar, dem Zufall unterworfen und das Ergebnis vieler nicht kalkulierbarer Verkettungen. Das können die viel beschworenen schwarzen Schwäne sein, ein plötzlicher Zusammenbruch des europäischen Flugverkehrs aufgrund eines Vulkanausbruchs in Island oder aber die Entlassung des CEOs sein. Oder schlicht und ergreifend Glück und Pech. In diesem Bereich sind Menschen zuhause, die komplett außerhalb des Bestehenden denken können. Der erste Impuls ist häufig, dieses Feld frei zu lassen. Aber es bringt tolle Ergebnisse, wenn Du Teilnehmer auf den Pott setzt und ihnen eine Antwort abringst.

Die Arbeitsfrage lautet:
Mit Blick auf das Jahr 20XX:
Welche glückliche Fügung würde uns in die Karten spielen?
Was könnte das Thema total zur Explosion bringen?

Futures Framework - Zufälle, Fügungen, Katastrophen

Wie setzt man das Future Framework ein?

  • In der Strategie-, Innovations- oder Organisationsentwicklung
    Mit dem Tool lässt sich sowohl bei der Entwicklung neuer Produktideen, in der Strategieentwicklung oder beim Organisationsdesign arbeiten, da alle drei wesentlich mit Zukunftsvorstellungen arbeiten und man bei allen dreien die zugrundeliegende Motivlage der wichtigsten Akteure kennen sollte.
  • Zum Projektverständnis und Auftragsklärung
    Zu Beginn eines Projekts geht es darum, die verschiedenen Perspektiven auf das Zukunftsthema zu ergründen. Dafür kannst Du Interviews führen (z.B. mit dem Initiator, wichtigen Akteuren und Stakeholdern). Wenn Du mehrere Ansprechpartner hast, macht vielleicht auch eine zweistündige gemeinsame Session im Vorfeld eines größeren Workshops Sinn. Man kann die Fragen auch nutzen, um daraus mit Google Forms, Surveymonkey oder ähnlichen Programmen eine qualitative Befragung aufzusetzen.
  • Den Blick im Workshop weiten
    Man kann mit dem Futures Framework auch wunderbar im Workshop arbeiten, um den Blick der Teilnehmer zu weiten und ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Hierfür eignet sich z.B. ein World-Café. An jedem Tisch wird dann eine Frage bearbeitet.

Was macht man dann mit den Informationen?

  • Wahrnehmungsverzerrungen minimieren
    Die Informationen aus dem Futures Framework helfen Dir und den Teilnehmer, sich weniger stark von sogenannten Cognitive Biases blenden zu lassen.
  • Das passende Verfahrensdesign entwickeln
    Du kannst die Ergebnisse nutzen, um den Aufbau mehrerer Sessions und  die Workshop-Dramaturgie zu planen.
  • Den Möglichkeitsraum aufbereiten
    Du kannst die Ergebnisse Deiner Exploration aufbereiten und den Möglichkeitsraum neuer Lösungen im Workshop präsentieren.
  • Einflussfaktoren sichtbar machen
    Du kannst die Antworten analysieren und aufzeigen, was in den Vorstellungen der Interviewten die zentralen Einflussfaktoren sind. Diese kannst Du dann miteinander kombinieren (lassen) und plausible Kombinationen identifizieren.
  • Szenarien entwickeln
    Auch ohne Einflussfaktoren zu identifizieren, kannst Du die Nennungen zu Szenarien clustern (lassen). Diese Szenarien kannst Du dann nutzen, um sie mit bestehenden Produktideen, Portfolios, Strategien, Organisationsentwürfen etc. zu vergleichen.
  • Blinde Flecken identifizieren
    Spannend ist es auch, wenn Du schaust, was die Teilnehmenden nicht gesagt haben und worüber nicht gesprochen wurde. Hier hast Du als Berater die Gelegenheit bzw. Pflicht auf Lücken oder Widersprüche hinzuweisen.
  • Um Stärken und Schwächen ergänzen
    Man kann die Ergebnisse des Futures Frameworks schön mit einem Stärken-Schwächen-Profil abgleichen und erhält so etwas Ähnliches wie eine SWOT.

Praxishinweise:
Die Zukunftsperspektiven erkunden

Du arbeitest Dich systematisch durch die oben genannten Bereiche. Wichtig ist, dass alle Teilnehmer durch alle vier Perspektiven geführt werden bzw. Du einen Interviewpartner durch alle vier Sichtweisen führst. Es geht gerade darum, dass auch die unverbesserlichen Optimisten mal schwarz malen und die Schwarzmaler ihre Hoffnungen offenbaren, man einmal auf Pfadabhängigkeiten und den Einfluss von Zufällen schaut.

Bei den Antworten solltest Du darauf achten, dass Du aktiv und positiv formulierte Statements bekommst, damit die Kategorien trennscharf bleiben. Gegebenenfalls musst Du nachhaken, um Schlagworte und Worthülsen zu hinterfragen. Wenn Du noch tiefer bohren willst, kannst noch diese Ergänzungsfrage nutzen:

Welche Ereignisse oder Entwicklungen haben dazu geführt?

Das Futures Framework ausprobieren

Wir haben die Bereiche und die Fragen mal als einen Template auf Mural aufbereitet. Schau doch mal rein. Und natürlich interessiert es uns zu hören, welche Erfahrungen Du mit dem Futures Framework machst.

 

 

Jörg Jelden

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